VG Münster – Az.: 1 L 408/11 – Beschluss vom 30.09.2011
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Der – sinngemäß gestellte – Antrag der Antragstellerin,
der Antragsgegnerin zu verbieten, den am 18. Juli 2011 geschlossenen notariellen Kaufvertrag bezogen auf das noch abzumessende Teilstück des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von N. , Blatt 5040, Gemarkung N. Flur 40, Flurstück 537, zu vollziehen, insbesondere
a) das Vermessungsverfahren einzuleiten,
b) Anträge zu stellen, aufgrund derer Auflassungsvormerkungen zu Gunsten der Erwerber eingetragen werden sollen,
c) die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen,
hilfsweise, der Antragsgegnerin zu verbieten, den am 18. Juli 2011 geschlossenen notariellen Kaufvertrag bezogen auf das noch abzumessende Teilstück des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von N. , Blatt 5040, Gemarkung N. Flur 40, Flurstück 537, zu vollziehen, insbesondere die im Hauptantrag bezeichneten Handlungen zu unterlassen, solange nicht zeitgleich tatsächlich und rechtlich die weitere, ununterbrochene, ordnungsgemäße Regenentwässerung ihres Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von N. , Blätter 25875 bis 25881, Gemarkung N. Flur 40, Flurstücke 312, 473, 747, 748 und 750 gesichert ist, hat keinen Erfolg.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. Das Rechtschutzbegehren der Antragstellerin auf vorläufige Untersagung des von der Antragsgegnerin beabsichtigten Vollzugs des Grundstückskaufvertrages betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht gesetzlich einem anderen Gericht zugewiesen ist. Der Antragstellerin geht es nach ihrem Sachvortrag u. a. um die Verhinderung der Beeinträchtigung des Bestands einer von ihr behaupteten öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit aus einem vermeintlichen subjektiv-öffentlichen Recht.
Die Voraussetzungen für den Erlass der mit dem Haupt- und mit dem Hilfsantrag erstrebten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung des Vollzugs des am 18. Juli 2011 geschlossenen notariellen Kaufvertrags zusteht. Es gibt keine Rechtsnorm, welche der Antragstellerin das Recht verleiht, von der Antragsgegnerin die Unterlassung des dinglichen Vollzugs des notariellen Grundstückskaufvertrags zu verlangen (Anspruchsgrundlage).
Ein Anspruch, eine Beeinträchtigung des Bestandes einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit auf dem zu veräußernden Grundstücksteil durch dinglichen Vollzug eines Grundstückskaufvertrags zu unterlassen, besteht nicht, selbst wenn die Antragsgegnerin den Kanal durch Erhebung von Niederschlagswassergebühren in der Vergangenheit konkludent zu einem öffentlichen Kanal gewidmet haben sollte. Dies folgt schon daraus, dass die Widmung und die rechtliche Eigenschaft des Kanals als öffentlicher Kanal durch eine Eigentumsübertragung nicht berührt würden. Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb ist insoweit nämlich nicht möglich. Die negative Publizität des Grundbuchs gemäß § 891 Abs. 2 BGB, an die ein gutgläubig lastenfreier Erwerb geknüpft ist, greift in einem solchen Fall nicht ein, weil öffentliche Lasten und Rechte nach § 54 GBO grundsätzlich nicht in das Grundbuch eingetragen werden können.
Läge keine konkludente Widmung vor, so kann erst recht kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin bestehen, den dinglichen Vollzug eines Grundstückskaufvertrags zu unterlassen. In einem solchen Fall wäre von vornherein keine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit entstanden.
Die Antragstellerin wäre darauf verwiesen, im Privatrechtswege, gegebenenfalls durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, aus § 917 Abs. 1 BGB analog gegen die neuen Grundstückseigentümer vorzugehen, falls letztere die Ableitung des von ihrem – der Antragstellerin – Grundstück herrührenden Niederschlagswassers über den bisher dafür genutzten Kanal nicht gestatten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2008 – V ZR 172/07 -, juris, m. w. N., ergibt sich in dem Fall, dass einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit dem Abwasserkanal fehlt, aus einer entsprechenden Anwendung von § 917 Abs. 1 BGB die Befugnis, Abwässer über ein anderes, fremdes Grundstück der Kanalisation zuzuführen. Inhalt eines solchen Notleitungsrechts kann auch die Mitbenutzung der auf dem belasteten Grundstück vorhandenen Leitungen sein.
Die weiteren von der Antragstellerin angeführten öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (§§ 90 Abs. 3 GO, 123 Abs. 1 BauGB, Art. 14 Abs. 1 GG) vermitteln ihr im vorliegenden Fall ersichtlich kein Recht, den Vollzug des Grundstückskaufvertrags zu verhindern. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte Wert ist wegen des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens mit der Hälfte des in einem Hauptsacheverfahren anzunehmenden Auffangstreitwerts zu bemessen (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – Stand Juli 2004 -).