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Ausschluss Notarhaftungsanspruch – anderweitige Ersatzmöglichkeit des Geschädigten

KG Berlin – Az.: 9 U 148/15 – Urteil vom 25.07.2017

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. August 2015 (84.O.58/15) wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt (auch aus von ihrem Ehemann abgetretenem Recht) vom beklagten Notar Schadensersatz wegen der Verletzung von § 17 Abs. 2a BeurkG bei der Beurkundung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung. Die Beurkundung erfolgte ohne Einhaltung der Frist von zwei Wochen gemäß § 17 Abs. 2a S. 2 Ziff. 2 BeurkG (a.F.). Zur Rechtfertigung beruft sich der Notar darauf, dass die Klägerin und ihr Ehemann im Rahmen der Beurkundung erklärt hätten, sie seien zum sofortigen Kauf entschlossen, weil sie im Falle einer Verschiebung der Beurkundung eine anderweitige Veräußerung der Wohnung befürchteten.

Nachdem die Klägerin und deren Ehemann feststellten, dass die von der Vermittlerin bei der Vertragsanbahnung in Aussicht gestellten Steuervorteile nicht in der erwarteten Höhe eingetreten waren und sie – nach deren Vortrag – über die mit dem Kauf der Eigentumswohnung verbundene finanzielle Belastung und über deren Wert betrügerisch getäuscht worden seien, nahm die Klägerin zunächst die … AG (im Folgenden: …), welche den Immobilienerwerb durch ein Darlehen finanzierte, gerichtlich auf Schadenersatz in Anspruch. Der Rechtsstreit endete durch einen Vergleich, in dem die … auf 40 % der offenen Restschuld aus dem Darlehensvertrag verzichtete, die Annuität auf monatlich 500,00 Euro angepasst und weitere Ansprüche der Klägerin ausgeschlossen wurden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zum einen fehle es an einem kausalen Schaden, weil die Klägerin und ihr Ehemann den Kaufvertrag unabhängig von einer Amtspflichtverletzung des Beklagten mit gleichem Inhalt abgeschlossen hätten. Zum anderen sei der Schadensersatzanspruch verjährt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die nach Vorlage einer aktualisierten Schadensberechnung nunmehr beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 38.755,36 Euro auf das Notaranderkonto eines von der Klägerin zu beauftragenden Notars zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell beurkundeter Erklärung der derzeitigen Eigentümer … vor dem beauftragten Notar:

“Wir sind eingetragener Eigentümer der im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts …, Bl. … verzeichneten Wohnung Nr. …, nebst Kellerraum Nr. … und Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. …, bestehend aus einem …/1.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück lfd. Nr. … – Flurstück … (Größe … qm), Gebäude- und Freifläche ….

Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum auf den Beklagten zu übertragen, frei von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Gesamtgrundschuld zugunsten der ….

Wir erteilen hier mit dem Beklagten die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, die Auflassung zu erklären.

Wir erklären unser Einverständnis mit einer Weisung des Beklagten an den unterzeichnenden Notar, den eingehenden Zahlungsbetrag zur Ablösung der in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Grundschuld zu verwenden.

Wir bewilligen die Eintragung des Beklagten als Eigentümer.

Der Notar darf von dieser Erklärung nur Gebrauch machen, wenn der Urteilsbetrag auf seinem Notaranderkonto eingegangen ist.

Ein etwaig überschießender Betrag ist an uns auszuzahlen.”

2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung nach Maßgabe des Antrages zu 1. in Verzug befindet,

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen weiteren Schaden aus dem Kauf der im Klageantrag zu 1. näher bezeichneten Eigentumswohnung zu ersetzen,

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sie von allen Verbindlichkeiten gegenüber der … aus dem Darlehensvertrag zur Darlehens-Nr. … freizustellen, die nach Erfüllung des Antrages zu 1) noch verbleiben,

5. den Beklagten zu verurteilen, an sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.215,02 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

1. Ein Notarhaftungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus eigenem und abgetretenen Recht ist jedenfalls wegen Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BNotO ausgeschlossen.

a) Im Falle einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung des Notars im Zusammenhang mit einer Beurkundungstätigkeit ist ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag, wobei es dem Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gleichsteht, wenn der Geschädigte eine früher bestehende Möglichkeit, Ersatz seines Schadens von einem Dritten zu erlangen, schuldhaft versäumt hat (BGH, Urteil vom 11. November 2004 – III ZR 101/03 –, Rn. 12, juris). Schuldhaft ist die Versäumung einer Ersatzmöglichkeit, wenn der Geschädigte die mögliche und ihm nach den Umständen des Falles zuzumutende anderweite Deckung seines Schadens unterlassen hat (BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 – IX ZR 122/94 –, Rn. 22, juris). Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Geschädigte in einem mit einem anderen Schädiger abgeschlossenen Vergleich auf Schadensersatzansprüche verzichtet, obwohl ihm die weitere Rechtsverfolgung gegenüber dem anderen Schädiger zuzumuten war. Verzichtet der Geschädigte gegenüber dem Dritten im Vergleichswege ganz oder teilweise auf seinen Anspruch, ist diese Versäumung einer Ersatzmöglichkeit gegenüber dem Notar in aller Regel schuldhaft (BGH, a.a.O., Rn. 23, juris).

b) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Möglichkeit nicht ausgeräumt, dass sie die … auch über die in dem mit dieser geschlossenen Vergleich vereinbarten Leistungen hinaus in voller Höhe mit Aussicht auf Erfolg auf Schadenersatz hätte in Anspruch nehmen können.

aa) Auch wenn diese anderweitige Ersatzmöglichkeit heute (wegen des geschlossenen gerichtlichen Vergleiches) nicht mehr durchsetzbar ist, hat die Klägerin nicht widerlegt, dass sie diese früher gegebene anderweitige Möglichkeit, über den Vergleichsbetrag hinaus in voller Höhe Ersatz zu erlangen, schuldhaft versäumt hat. Hierbei ist zu beachten, dass der als anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht kommende Schadenersatzanspruch im Notarhaftungsprozess nicht inzident geprüft und positiv festgestellt werden muss. Es ist vielmehr Sache des klagenden Geschädigten, eine in Betracht kommende Ersatzmöglichkeit – ggf. als unzumutbar – auszuschließen (Senat, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 9 U 32/15). Insoweit trägt er die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 – IX ZR 240/98 –, Rn. 22, juris).

bb) Richtig ist zwar, dass ein Geschädigter weitläufige, unsichere und im Ergebnis zweifelhafte Wege nicht einzuschlagen braucht (BGH, Urteil vom 03. Juli 2008 – III ZR 189/07 –, Rn. 12, juris). So besteht eine zumutbare andere Ersatzmöglichkeit dann nicht, wenn der Geschädigte mit einer Klage gegen einen angeblich ersatzpflichtigen Dritten wegen Beweisschwierigkeit abgewiesen werden müsste (BGH, Urteil vom 07. Februar 2013 – III ZR 121/12 –, juris Rn. 33). Dies lässt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen. Eine Inanspruchnahme der … bot rechtlich wie wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg und war der Klägerin daher zumutbar.

Zwar hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts – in Anwendung der Pflichtenkreislehre des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 06. November 2007 – XI ZR 322/03 –, juris, Rn. 28) in vergleichbaren Parallelfällen zugunsten der … entschieden, weil der im Rahmen von Kapitalanlagemodellen auftretende Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nicht eingeschalteten Bank nur insoweit tätig werde, als sein Verhalten den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrags betreffe. Möglicherweise falsche Erklärungen zu Mieteinnahmen, zur monatlichen Belastung des Anlegers unter Berücksichtigung von Mieteinnahmen und Steuervorteilen sowie zu der Möglichkeit, die Wohnung später mit Gewinn zu verkaufen, beträfen nicht den Darlehensvertrag, sondern die Rentabilität des Anlagegeschäfts. Diese lägen damit außerhalb des Pflichtenkreises der Bank und seien ihr deshalb nicht nach § 278 BGB zuzurechnen (KG Berlin, Urteil vom 16. Mai 2012 – 24 U 103/10 –, Rn. 43, juris – rechtskräftig nach Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde).

Allerdings hatte der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in einer vergleichbaren Konstellation die arglistige Täuschung des Beraters bzw. Vermittlers gemäß § 278 BGB der Bank zugerechnet und letztere zum Schadenersatz verurteilt. Danach müsse sich eine Bank, die sich im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Eigentumswohnung von ihrem Kunden auf einem ihrer Vordrucke ausdrücklich bestätigen lässt, dass ein persönliches Gespräch mit einem namentlich benannten Vermittler stattgefunden habe, in dem die Finanzierung mit dem im Darlehensangebot enthaltenen Produkt Annuitätendarlehen erläutert worden sei, die Angaben, die dieser Vermittler zu dem Darlehen gemacht hat, zurechnen lassen (KG Berlin, Urteil vom 31. Mai 2012 – 12 U 218/10 –, juris).

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes sind in diesen Verfahren nicht ergangen. Die Rechtsfrage war damit offen und ist höchstrichterlich unentschieden geblieben.

Schließlich war auch die Klägerin von der Erfolgsaussicht überzeugt, hat sie doch gegen die … Klage erhoben.

Mag damit zwar seinerzeit nicht ausgeschlossen gewesen sein, dass der Rechtsstreit gegen die … letztlich auch zulasten der Klägerin hätte ausgehen können, macht allein dieser Umstand die Durchführung des Rechtsstreits gegen die … nicht unzumutbar. Einen aussichtsreichen Prozess gegen den Dritten, der vorrangig für den Schaden einzustehen hat, hat der Geschädigte grundsätzlich zu führen; dies gilt selbst dann, wenn sich dieser Prozess in die Länge zieht (BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 – IX ZR 122/94 –, Rn. 23, juris).

cc) Auch die – von der Klägerin schließlich wahrgenommene – Möglichkeit eines Vergleichsschlusses mit der … machte es nicht unzumutbar, die Schadenersatzforderung in dem Rechtsstreit gegen die … insgesamt weiterzuverfolgen.

Denn der Vergleich hat notwendig zur Folge, dass der Geschädigte auf die aussichtsreiche, wenn auch nicht sichere anderweitige Möglichkeit des Ersatzes des gesamten Schadens letztlich verzichtet, was nach der gesetzgeberischen Wertung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BNotO zu Lasten des Notars nicht zulässig ist und zum Anspruchsausschluss führt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 23, juris). Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich etwa angemessen war oder für den Notar im Hinblick auf die Verminderung des Schadens vorteilhaft.

Einen Vergleich wird ein Notar daher bis auf eine – hier nicht vorliegende – existenzbedrohende Ausnahmesituation allenfalls dann gegen sich geltend lassen müssen, wenn er dem Vergleichsschluss unter Verzicht auf sein Vorrecht aus § 19 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BNotO zugestimmt hätte (vgl. BGH ebenda), woran es hier aber fehlt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Absatz 2 ZPO). Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Der Senat hat den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 21. Juli 2017 berücksichtigt. Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, bestand nicht, § 156 ZPO.

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