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Grundschuldlöschung an Miteigentumsanteilen

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 11/18

Beschluss vom 09.07.2018

Die Zwischenverfügung vom 16. November 2017 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist in Blatt …1 des eingangs bezeichneten Grundbuches als Miteigentümer zu 1/2, in Blatt …2 als Miteigentümer zu 1/6 und in Blatt …3 als Alleineigentümer des dort jeweils verzeichneten Grundbesitzes eingetragen.

Mit Kaufvertrag vom 15. September 2016 (UR-Nr. …/2016 des Notars A in Stadt1) veräußerte er den in den Blättern …1 und …2 eingetragenen Grundbesitz lastenfrei an die X GbR (im Folgenden: Käuferin).

Der verfahrensbevollmächtigte Notar beantragte mit gesiegeltem Schreiben vom 22. August 2017 und Ergänzung vom 5. Oktober 2017 für die Käuferin die Eigentumsumschreibung unter Löschung der zuvor für diese eingetragenen Auflassungsvormerkung und für den Antragsteller als Verkäufer unter Vorlage der jeweiligen Grundschuldbriefe und der Löschungsbewilligungen der Gläubiger die gänzliche Löschung der jeweils in Abt. III eingetragenen nachfolgend aufgeführten Grundschulden:

Blatt …1 Nr. 2, 4, 5 und 5a,

Blatt …2 Nr. 2, 14,15 und 15a,

Blatt …3 Nr. 3, 4, 5 und 5a.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes wies mit Zwischenverfügung vom 10. Oktober 2017 darauf hin, dass die in den Blättern …2 und …1 zur Löschung beantragten Rechte zugleich auch auf den dort jeweils verzeichneten Miteigentumsanteilen der Miteigentümerin B lasten. Deshalb müsse zu deren Löschung auch ein Antrag dieser Miteigentümerin in der Form des § 29 GBO vorgelegt werden.

Mit gesiegelten Schreiben vom 13. November 2017 führte der verfahrensbevollmächtigte Notar unter Verweis auf Entscheidungen des OLG München und des OLG Hamm demgegenüber aus, die für ein Gesamtpfandrecht erteilte Löschungsbewilligung müsse denklogisch auch einen Teilvollzug ermöglichen, weshalb der in der Literatur von Schöner/Stöber (Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2724) vertretenen Gegenansicht nicht zu folgen sei. Er stelle deshalb die Anträge dahingehend um, dass die in den Blättern …1 und …2 zur Löschung beantragten Grundschulden jeweils lediglich hinsichtlich des Miteigentumsanteiles des Antragstellers gelöscht werden sollten.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hielt mit weiterer Zwischenverfügung vom 16. November 2017 an ihrer Rechtsauffassung fest und führte ergänzend aus, gerade weil die Rechte nunmehr teilweise nur auf den veräußerten Anteilen gelöscht werden sollten, könne von einer Aufgabe der Rechte seitens der Gläubiger nicht die Rede sein, weshalb insoweit eine Pfandfreigabeerklärung vorgelegt werden müsse.

Der verfahrensbevollmächtigte Notar teilte mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 mit, er bitte sein vorausgegangenes Schreiben als Rechtsmittel gegen die Zwischenverfügung anzusehen. Außerdem führte er aus, er habe sich zwischenzeitlich um die Überlassung einer Pfandhaftentlassung bemüht, was von der Gläubigerin aber von der Bedingung abhängig gemacht worden sei, dass sämtliche Eigentümer einen Auftrag zur Abgabe der Pfandhaftentlassung stellen. Dies sei jedoch nicht zu erreichen, weil die Miteigentümerin B nach wie vor unter Betreuung stehe und das Verfahren nicht abgeschlossen sei.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 10. Januar 2018 der Beschwerde gegen die Zwischenverfügungen vom 10. Oktober 2017 und 16. November 2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Dabei ist entgegen der Formulierung im Nichtabhilfebeschluss davon auszugehen, dass die Beschwerde sich nur gegen die zuletzt erlassene Zwischenverfügung vom 16. November 2017 richtet. Denn die zuvor ergangene Zwischenverfügung vom 10. Oktober 2017 bezog sich noch auf den ursprünglich gestellten Antrag auf gänzliche Löschung der Grundschulden, welcher nachfolgend durch die gesiegelte Erklärung des Notars vom 13. November 2017 dahingehend geändert wurde, dass die Löschung der zuvor näher bezeichneten Grundschulden in Blatt …1 und Blatt …2 jeweils nur hinsichtlich der Miteigentumsanteile des Antragstellers beantragt wird. Mit der nunmehr allein angefochtenen Zwischenverfügung vom 16. November 2017 hat die Rechtspflegerin im Hinblick auf diese Antragsänderung sodann anstelle des zuvor mit Zwischenverfügung vom 10. Oktober 2017 geforderten formgerechten Löschungsantrages der Miteigentümerin B verlangt, dass bezüglich der jetzt nur noch auf dem Miteigentumsanteil des Antragstellers zu löschenden Grundschulden jeweils eine Pfandfreigabeerklärung vorzulegen sei, weil sie die hierzu bereits vorgelegten Löschungsbewilligungen nicht als ausreichend erachtet.

Die gegen diese zuletzt erlassene Zwischenverfügung gerichtete zulässige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg.

Zum einen kann die Zwischenverfügung schon aus formellen Gründen keinen Bestand haben. Nach § 71 Abs. 1 GBO unterliegen nur Entscheidungen des Grundbuchamts dem Rechtsmittel der Beschwerde. Bloße Vorbescheide oder Hinweise des Grundbuchamts auf die Rechtslage sind keine Entscheidungen und deshalb grundsätzlich nicht anfechtbar (OLG München Rpfleger 2011, 495; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 71 Rn. 17 ff. m. w. N.) Davon zu unterscheiden sind Zwischenverfügungen im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO, gegen welche die unbeschränkte Beschwerde zulässig ist (OLG München Rpfleger 2011, 495; Demharter, a.a.O., § 18 Rn. 53 und § 71 Rn.1 und 11). Bei der hier angefochtenen Verfügung des Grundbuchamts vom 16. November 2017 handelt es sich um eine solche Zwischenverfügung. Ob eine anfechtbare Zwischenverfügung vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts der Verfügung zu beurteilen, wobei ohne Bedeutung ist, dass das Grundbuchamt eine Verfügung als Zwischenverfügung bezeichnet hat oder behandelt wissen will (vgl. dazu die Nachweise bei Demharter, a.a.O., § 71 Rn. 19; Senat Rpfleger 1997, 105; OLG München Rpfleger 2011, 495). Danach geht der Senat hier von einer anfechtbaren Zwischenverfügung aus, da die Rechtspflegerin in ihrer Verfügung vom 16. November 2017 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 18 GBO ein Hindernis – nämlich das Fehlen der jeweiligen Pfandfreigabeerklärung – dargelegt hat, zu dessen formgerechter Behebung sie eine Frist gesetzt hat. Die Verfügung ist überdies mit einer diesbezüglichen Rechtsmittelbelehrung versehen, dort ausdrücklich als solche bezeichnet und dem Verfahrensbevollmächtigten förmlich zugestellt worden.

Es entspricht einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass durch den Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 GBO dem jeweiligen Antragsteller der Rang und die sonstigen Rechtswirkungen erhalten werden sollen, welche sich nach dem Eingang des Antrages richten und durch dessen sofortige Zurückweisung verloren gingen. Somit kommt eine Zwischenverfügung nur dann in Betracht, wenn das festgestellte oder vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung beseitigt werden kann. Es kann deshalb nicht Inhalt einer Zwischenverfügung sein, auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts oder die Abgabe einer Bewilligung des unmittelbar Betroffenen hinzuwirken, die ihrerseits erst Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung sein sollen (vgl. BGH NJW 2014, 1002 sowie FGPrax 2014, 192 und 2017, 54; BayObLG NJW-RR 2004, 1533; OLG Hamm MittRhNotK 1996, 225 und MittBayNot 2003, 386; OLG Düsseldorf RNotZ 2009, 238 und NJW-RR 2016, 141; Brandenburgisches OLG FGPrax 2003, 54; OLG Schleswig FGPrax 2010, 282; Senat Rpfleger 1990, 292 sowie Beschlüsse vom 7. Juli 2010 – 20 W 349/09 und vom 20. Februar 2012 – 20 W 54/12 jeweils dok. bei juris; Demharter, a.a.O., 18 Rn. 8, 12, 32 und § 22 Rn. 31; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 18 Rn. 25; BeckOK/Zeiser GBO § 18 Rn. 17; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 18 Rn. 36/37 jeweils m.w.N.). Bei der hier mit der Zwischenverfügung geforderten Pfandfreigabeerklärung handelt es sich um eine derartige Bewilligung des jeweiligen Grundschuldgläubigers als unmittelbar Betroffenem. Die Vorlage konnte deshalb im Wege der Zwischenverfügung nicht gefordert werden.

Darüber hinaus kann die Zwischenverfügung auch in materieller Hinsicht keinen Bestand haben. Die Löschung der Grundschulden an den Miteigentumsanteilen des Antragstellers kann – nachdem diesbezügliche Löschungsbewilligungen der Banken vorgelegt worden waren – nicht von der Vorlage diesbezüglicher Pfandfreigabeerklärungen abhängig gemacht werden.

Allerdings wird in der Literatur durch das von der Grundbuchrechtspflegerin zitierte Handbuch (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2724a) die Auffassung vertreten, der Teilvollzug einer durch den Gläubiger eines Gesamtgrundpfandrechtes erteilten Löschungsbewilligung sei nicht zulässig, so dass für die Löschung eines Gesamtrechtes nur an einzelnen belasteten Grundstücken oder Miteigentumsanteilen die Erklärung einer Pfandfreigabe durch den Gläubiger erforderlich sei.

Demgegenüber wird von der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angenommen, dass bei einem Gesamtgrundpfandrecht auf der Grundlage einer vom Gläubiger erteilten Löschungsbewilligung auf entsprechenden Antrag des Eigentümers eine Löschung nur an einzelnen belasteten Grundstücken oder Miteigentumsanteilen zulässig ist (vgl. OLG Hamm FGPrax 1998, 208; OLG München FGPrax 2016, 150; LG Verden BeckRs 2011, 13238; LG Gera MittBayNot 2002, 190 mit Anm. Munzig; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 13 Rn. 19 und § 19 Rn. 21; Bauer/von Oefele/Mayer, GBO, 3. Aufl., AT IV Rn. 131; Volmer in KEHE, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 13 Rn. 30; Meikel/Böhringer, GBO, 11. Aufl., § 48 Rn. 157; Lotter MittBayNot 1985, 8).

Der Senat vermag der auch in der Literatur vereinzelt gebliebenen Auffassung von Schöner/Stöber nicht zu folgen, sondern schließt sich der herrschenden Auffassung an. Zwar gilt im Grundbuchrecht im Ausgangspunkt der von Schöner/Stöber in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellte Grundsatz, wonach der Antrag nach § 13 GBO und die nach § 19 GBO erforderliche Bewilligung sich decken müssen. Hiervon kann jedoch abgewichen werden, wenn der Bewilligung entnommen werden kann, dass der Erklärende auch mit einem Teilvollzug im Grundbuch einverstanden ist, so dass seine Löschungsbewilligung in eine Pfandfreigabeerklärung umgedeutet werden kann bzw. diese mit umfasst. Von einem solchen Einverständnis mit dem Teilvollzug kann bei der von einer Bank erklärten Löschungsbewilligung für ein Gesamtgrundpfandrecht in aller Regel und auch im hier vorliegenden Fall ausgegangen werden, ohne dass es insoweit entscheidend darauf ankäme, ob man in materiell-rechtlicher Hinsicht von einer Aufgabe oder einem Verzicht des Gläubigers auf das Recht ausgeht. Denn einer solchen für das Gesamtrecht erteilten Löschungsbewilligung kann im Wege der Auslegung entnommen werden, dass die Bank an dem weiteren rechtlichen Schicksal des Gesamtrechts nach Erteilung der Löschungsbewilligung und – im Falle eines Briefrechtes – Aushändigung des Briefes – kein Interesse mehr hat. Die rechtlichen Belange der Bank werden nämlich durch die Art und Weise des nachfolgenden Grundbuchvollzuges nicht mehr berührt. Der von ihr erteilten Löschungsbewilligung kann somit im Wege der gebotenen Auslegung entnommen werden, dass sie nicht nur mit der sofortigen Löschung des Gesamtrechtes einverstanden ist, sondern auch mit der Löschung zunächst nur an einzelnen Grundstücken oder Miteigentumsanteilen sowie der erst späteren Löschung an den zunächst verbliebenen Belastungsobjekten (so ausführlich auch Lotter a.a.O. und OLG München a.a.O.).

Die angefochtene Zwischenverfügung war deshalb aufzuheben.

Da Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nur diese Zwischenverfügung selbst, nicht jedoch der Eintragungsantrag als solcher ist, wird hierüber zunächst in eigener Verantwortung das Grundbuchamt zu befinden haben.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde war weder eine Kostenentscheidung noch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst.

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