OLG München – Az.: 34 Wx 169/10 – Beschluss vom 25.01.2011
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 16. Dezember 2010 aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, auf die Bewilligung der Vorkaufsberechtigten das im Grundbuch des Amtsgerichts Starnberg für Kempfenhausen Bl. 602 in der Zweiten Abteilung unter Lfd. Nr. 1 eingetragene Vorkaufsrecht zu löschen.
Gründe
I.
Der Beteiligten zu 1 gehört Grundbesitz. Dieses ist mit einem Vorkaufsrecht für den ersten wirklichen Verkaufsfall zugunsten des Eigentümers des Grundstücks Fl.St. 10/5 belastet. Mit notariellem Vertrag vom 28.10.2010 verkaufte die Beteiligte zu 1 das Grundstück an die Beteiligten zu 2 und 3. Der Vertrag enthält im Abschnitt 11 folgende Klausel:
Der Notar wird beauftragt und ermächtigt, Frau Dr. A. v. B., …, als derzeitige Eigentümerin des Grundstücks Flst. 10/5 … über ihr Vorkaufsrecht zu unterrichten, sie vom Inhalt des Vertrages durch Übersendung einer Ausfertigung zu verständigen und sie im Namen der Beteiligten zur Stellungnahme über ihr Vorkaufsrecht aufzufordern und deren Äußerung für die Beteiligten in Empfang zu nehmen. … Der Notar wird ohne Einschränkung auf die gesetzliche Vollmacht nach § 15 GBO ermächtigt, Vollzugsanträge zu dieser Urkunde zu stellen, zu ergänzen oder zurückzunehmen und auch den Teilvollzug einzelner Anträge zu veranlassen.
Unter dem 9.12.2010 haben die Beteiligten über den beurkundenden Notar beantragt, das Vorkaufsrecht zu löschen, und dazu eine Bewilligung der Eigentümerin des herrschenden Grundstücks vorgelegt. Die Bewilligung enthält folgenden Zusatz:
Nachstehende Bewilligung enthält keinen Verzicht und keine Aufgabeerklärung, sondern ist nur Verfahrenserklärung.
Mit Beschluss vom 16.12.2010 hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, das dingliche Vorkaufsrecht erlösche rechtsgeschäftlich durch Aufgabeerklärung des Berechtigten und Löschung im Grundbuch. Der Zusatz in der Löschungsbewilligung ergebe nur dann einen Sinn, wenn man zugleich davon ausgehe, dass es auch sonst keine Aufgabeerklärung gebe. Somit würde durch die Löschung das Grundbuch unrichtig, da das Vorkaufsrecht in Wirklichkeit noch fortbestehe. Eine solche bekannte Rechtslage habe das Grundbuchamt in Durchbrechung des sonst geltenden formellen Konsensprinzips zu beachten, weil es das Grundbuch nicht sehenden Auges unrichtig machen dürfe.
Der gegen den Beschluss eingelegten Beschwerde vom 20.12.2010 hat das Grundbuchamt mit folgender Begründung nicht abgeholfen: Es handle sich um eine Bewilligung, die sowohl eine Grundbuchberichtigung als auch eine rechtsgeschäftliche Löschung herbeiführen könne. Da das Grundbuchamt dies grundsätzlich nicht nachzuprüfen habe, hätte die Bewilligung ohne den fraglichen Zusatz zwar vollzogen werden können. Der unbefangene Leser entnehme dieser Aussage nicht, dass nur deshalb eine reine Verfahrenserklärung vorliege, weil das Grundbuch in Wahrheit nur berichtigt werden solle; denn dann wäre der Zusatz überflüssig, da ein Verzicht oder eine Aufgabeerklärung überhaupt nicht im Raum stünde. Weil es aber offenbar anders sei, bleibe nur der Schluss, dass das Recht rechtsgeschäftlich gelöscht werden solle, obwohl die Aufgabeerklärung nach § 875 BGB nicht vorliege.
Der Notar hat im Beschwerdeverfahren den Schriftwechsel mit der Berechtigten vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass der Kaufvertrag dieser am 3.11.2010 zugestellt wurde.
II.
Die nach § 71 Abs. 1, § 73 sowie § 15 Abs. 2 GBO zulässig vom beurkundenden Notar zugunsten der Beteiligten erhobene Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Die Eigentümerin des herrschenden Grundstücks hat als Berechtigte des betroffenen (Vorkaufs-) Rechts (§ 1094 Abs. 2 BGB) dessen Löschung bewilligt (§§ 19, 22 Abs. 1, § 46 Abs. 1 GBO). Sie hat nicht ausdrücklich eine Berichtigungsbewilligung (siehe § 22 GBO; dazu Demharter GBO 27. Aufl. § 22 Rn. 31) abgegeben und auch keinen Grund für die Löschung angegeben. Sie hat weder dargelegt, weshalb das Grundbuch unrichtig sei, noch hat sie auf einen Erlassvertrag Bezug genommen oder eine einseitig mögliche Aufhebungserklärung (siehe § 875 BGB) abgegeben. Dies ist aber, wovon auch das Grundbuchamt zu Recht ausgeht, nicht erforderlich. Die Berichtigungsbewilligung ist eine Unterart der Eintragungsbewilligung. Sie muss zwar grundsätzlich erkennen lassen, dass das Grundbuch berichtigt werden soll und inwiefern es unrichtig ist. Dies gilt aber dann nicht, wenn sie auf eine Löschung gerichtet ist (BayObLGZ 1952, 321/322 m.w.N.; Demharter § 22 Rn. 31; Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl. § 22 Rn. 106 a.E.). Denn der Vermerk über die Löschung hat lediglich den grundbuchmäßigen Akt der Löschung selbst zum Ausdruck zu bringen, sagt aber nichts über den der Löschung zugrunde liegenden materiellen Rechtsvorgang aus (BayObLGZ 1952, 321/322).
Die Bewilligung enthält allerdings den ausdrücklichen Hinweis, dass es sich nicht um einen Verzicht oder eine Aufgabeerklärung handle; sie sei nur Verfahrenserklärung. Damit wird aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Erklärung keine Berichtigungsbewilligung darstelle. Dies wäre im Übrigen auch unschädlich, da es im Ergebnis dahinstehen kann, ob ein noch nicht erloschenes Recht durch Löschungsbewilligung konstitutiv oder ein bereits erloschenes durch Berichtigungsbewilligung gelöscht wird (vgl. Meikel/Böttcher aaO.). Die Berechtigte mag für den vorgenommenen Zusatz nachvollziehbare Gründe haben. Würde es sich etwa beim der Berechtigten unbekannten Käufer um einen gesetzlichen Erben des Verkäufers handeln, wäre das nur für den ersten wirklichen Verkaufsfall eingeräumte Vorkaufsrecht nicht erloschen, vielmehr eine entsprechende materielle Erklärung der Berechtigten erforderlich, die diese gerade nicht abgeben möchte. Im Einzelnen hat dies das Grundbuchamt jedoch nicht zu interessieren.
2. Den auf Löschung abzielenden Eintragungsantrag darf das Grundbuchamt nur ablehnen, wenn es auf Tatsachen begründete sichere Kenntnis hat, dass eine Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht gegeben ist oder das unrichtige Grundbuch durch die beantragte Eintragung nicht richtig würde; bloße Zweifel genügen insoweit nicht (vgl. Demharter § 22 Rn. 31; ders. FGPrax 2001, 54/55). Hier kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass das Vorkaufsrecht durch Nichtausübung erloschen ist. Der Kaufvertrag wurde am 28.10.2010 geschlossen. Nach den nunmehr vorgelegten, vom Senat als Tatsacheninstanz (vgl. § 74 GBO) zu berücksichtigenden, Unterlagen des Notars wurde die Berechtigte am 3.11.2010 zur Erklärung, ob sie das Vorkaufsrecht ausüben wolle, aufgefordert. Die Berechtigte hat eine – wenn auch modifizierte – Löschungsbewilligung abgegeben, so dass Anhaltspunkte dafür, dass sie es ausüben werde, ohnehin nicht vorliegen. Zudem ist die Ausübungsfrist von zwei Monaten (§ 1098 Abs. 1 i.V.m. § 469 Abs. 2 BGB) zumindest zum jetzigen Zeitpunkt abgelaufen, ohne dass die Ausübung bekannt geworden wäre.
3. Das Grundbuchamt wird die Löschung daher auf der Grundlage der vorgelegten Urkunden, deren Qualität und Beweiskraft nicht in Frage steht, vorzunehmen haben.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (siehe § 131 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 KostO).