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Mitbenutzungsrecht des Eigentümers des dienenden Grundstücks bei Geh- und Fahrrecht

Die Frage des Mitbenutzungsrechts: OLG Köln spricht Urteil

In einem bemerkenswerten Fall, der kürzlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln verhandelt wurde (Az.: 20 U 193/19 und 20 U 194/19), ging es um das Mitbenutzungsrecht des Eigentümers eines dienenden Grundstücks bei Geh- und Fahrrecht. Die Hauptproblematik in diesem Fall bestand darin, ob der Eigentümer des dienenden Grundstücks das Recht hat, dieses gemeinsam mit dem herrschenden Grundstück zu nutzen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 20 U 193/19 und 20 U 194/19 >>>

Interpretation des Mitbenutzungsrechts

Im Zentrum des Falls stand das sogenannte Dienstbarkeitsrecht, welches den Eigentümern des herrschenden Grundbesitzes die Nutzung des dienenden Grundbesitzes als Zuwegung zu ihrem Garten erlaubte. Darüber hinaus wurde gestattet, den Weg mit Fahrzeugen zu befahren, sofern dies für Pflegearbeiten oder den Abtransport von Gartenabfällen notwendig war.

Es wurde hervorgehoben, dass jegliche Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung der Dienstbarkeit als Beeinträchtigung angesehen wird. Dazu zählte auch die Aufforderung, die Ausübung der Dienstbarkeit zu unterlassen, verbunden mit dem Verlangen nach Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung. In solchen Fällen kann der Dienstbarkeitsberechtigte die Beseitigung bzw. die Unterlassung einer solchen Beeinträchtigung verlangen.

Fragen zur Qualifizierung als Grenzanlage

Ein strittiger Punkt im Fall war die Frage, ob die Anlage der Nutzung zweier Nachbargrundstücke untergeordnet ist oder ob sie die Nutzung beider, oder zumindest eines, Grundstücks kennzeichnet. Diese Frage ist entscheidend für die Qualifizierung als Grenzanlage und die Anwendung der §§ 921, 922 BGB.

Keine Vereinbarung zur ausschließlichen Nutzung

Es wurde festgestellt, dass es keine Vereinbarung gab, die den jeweiligen Eigentümer darüber hinaus in der Verfügung über sein Grundstück einschränkt. Dies lässt sich weder aus dem Wortlaut ableiten, noch ist ein Grund ersichtlich, warum bei der wechselseitigen Bewilligung der Grunddienstbarkeiten die Eigentümer der herrschenden Grundstücke Verzichte auf die Ausübung von Verfügungsrechten über ihre Grundstücke erklären sollten.

Berechtigung zur schonenden Ausübung

Eine wichtige Feststellung des Urteils war, dass die Berechtigten gemäß § 1020 BGB zur schonenden Ausübung ihrer Rechte verpflichtet sind. Darüber hinaus kann die Klägerin vom Beklagten vorergerichtliche Rechtsanwaltskosten gemäß § 280 BGB verlangen, da die Forderung des Beklagten, die Ausübung der zugunsten ihres Grundstücks bestellten Grunddienstbarkeit zu unterlassen und in deren Löschung einzuwilligen, ungerechtfertigt war.

Insgesamt liefert das Urteil eine wichtige Rechtsprechung zum Thema Mitbenutzungsrechte und Dienstbarkeit, die für Eigentümer von Grundstücken und ihre Berater von großer Bedeutung sein dürfte. Es hebt hervor, dass die Nutzung eines Grundstücks von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der Geschichte der Grundstücke, der bestehenden Vereinbarungen und der Interpretation des Gesetzes.

[…]


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: 20 U 193/19 und 20 U 194/19 – Urteil vom 09.10.2020

Auf die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Juli 2019 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 263/18 – wird die angefochtene Entscheidung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.

1.   Der Beklagte wird verurteilt, das Recht der Rechtsnachfolger der Klägerin im Eigentum am Grundbesitz der Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133, derzeit Eheleute C D, geborene E, und F D, A, sowie des Herrn G H, A, zu dulden, die Wegparzelle Flur 51, Flurstück 6900/133 nach Maßgabe der Bewilligung einer Grunddienstbarkeit zu nutzen, wie sie Bestandteil der Vereinbarung des Klägers mit der Widerbeklagten zu 2 vom 13./15. Februar 2016 ist.

2.   Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 237,07 EUR zu zahlen.

3.   Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, in die Löschung der Grunddienstbarkeit einzuwilligen, die zu Gunsten des   ehemals in ihrem Eigentum befindlichen Grundbesitzes der Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133 im Grundbuch von A-B, Bl. 1400 Abt. II lfd. Nr. 5 eingetragen ist.

4.   Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens 3 O 263/18 hat der Beklagte zu tragen.

II.

Auf die Berufung des Beklagten gegen das am 12. Juli 2019 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 293/18 – wird dieses Urteil aufgehoben, soweit der (Wider-) Klageantrag zu 5. des Beklagten abgewiesen worden ist, die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2 zu verurteilen, die Einfriedung der Zufahrt durch eine straßenseitige Toranlage mit einem Geh- und einem Fahrflügel auf den Flurstücken 6900/133 und 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) mit der Maßgabe zu gestatten, dass die Klägerin und Widerbeklagten zu 2 die Zufahrt im Umfang ihrer Eigentums- und Grunddienstbarkeit Rechte weiter nutzen können.

Auf die Berufungen des Beklagten und der Widerbeklagten zu 2 gegen das am 12. Juli 2019 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 293/18 – wird zudem die angefochtene Entscheidung unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Beklagten teilweise abgeändert.

Das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts – 3 O 293/18 –  wird insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.   Die Widerbeklagte zu 2 wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei   Jahren, zu unterlassen, der Klägerin ohne vorherige Zustimmung des Beklagten die Nutzung der Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“ auf dem Grundstück   A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) zum Gehen und Fahren zu gestatten.

2.   Die Klägerin wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, die Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“ auf dem Grundstück A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) – ohne vorherige Zustimmung des Beklagten zum Gehen und Fahren zu nutzen.

3.   Die weitergehende (Wider-) Klage wird abgewiesen.

4.   Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens haben der Beklagte zu 90 % und die Klägerin sowie die Widerbeklagte zu 2 zu je 5 % zutragen.

III.

Der (Wider-) Klageantrag des Beklagten, die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2 zu verurteilen, einer Ausübungs- und Benutzungsregelung für die Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“ zuzustimmen sowie der darauf bezogene Hilfsantrag, eine Benutzungsregelung durch den Senat zu bestimmen, werden abgewiesen.

IV.

Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben der Beklagte selbst zu je 92 % und die Klägerin zu je 8 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin fallen dieser selbst zu 10 % und dem Beklagten, der auch die außergerichtlichen Kosten der Widerbeklagten zu 2 zu tragen hat, zu 90 % zur Last.

V.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts im Verfahren – 3 O 293/18 – sind vorläufig vollstreckbar. Eine Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden werden, sofern nicht die vollstreckende Parteisicherheit in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung anstehenden Betrages leistet.

VI.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten in den vom Senat durch Beschluss vom 29. Mai 2020 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Ersteren verbundenen  Verfahren 20 U 193/19 (LG Köln 3 O 263/18) – von der Klägerin gegen den Beklagten geführt – und 20 U 194/19 (LG Köln 3 O 293/18) – vom Beklagten dort als Kläger gegen die (Wider-) Beklagten des Verbundes geführt –  über ein Geh- und Fahrrecht der Klägerin bzw. des jeweiligen Eigentümers des zu Verfahrensbeginn noch in deren Eigentum stehenden Hausgrundstücks „I-Straße 130“ in A-J   (Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133) an einem Stichweg, das die Erreichbarkeit und Pflege des Gartens dieses Hausgrundstücks erlauben würde. Im Verfahren 20 U 194/19 streiten der Beklagte und die Widerbeklagte zu 2 zusätzlich über die Eigentumsverhältnisse am Wegeaufbau des Stichwegs.

Der Garten des Grundstücks „I-Straße 130“ ist nach einer 2017/2018 erfolgten Bebauung des Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus nebst Garagen von der Straße „I-Straße“ her nur über die im Erdgeschoss gelegene Wohnung erreichbar.

Der streitgegenständliche Weg, ca. 5,76 m breit und 60 m lang, dient als Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126“ (Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 1716), das – überwiegend rückseitig gelegen – im Eigentum des Beklagten steht und von diesem bewohnt wird, und „I-Straße 128“ (Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6913/133), das – insgesamt rückseitig gelegen –  an beide Grundstücke der Parteien grenzt und im Eigentum der Widerbeklagten zu 2 steht. Er führt zwischen dem Grundstück „I-Straße 130“ und einem weiteren straßenseitigen Hausgrundstück hindurch. Je zur Hälfte, so dass die Grundstücksgrenze ihn in der Mitte schneidet, nimmt er auf  seiner gesamten Länge als dessen Teil das sich an seinem Ende verbreiternde Grundstücks „I-Straße 126“ (Flurstück 1716) des Beklagten in voller Breite und die parallel verlaufende eigenständige Parzelle (Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6900/133) ein, die – wie das Grundstück „I-Straße 128“ – im Eigentum der Widerbeklagten zu 2 steht und unmittelbar entlang des Grundstücks „I-Straße 130“ verläuft. Ebenso wie Flurstück 6900/133 war der vom Zufahrtsweg in Anspruch genommene Teil des Grundstücks „I-Straße 126 des Beklagten, als er mit weiteren Flurstücken zum Flurstück 1716 verschmolzen wurde, als selbständiges Flurstück unter der Nr.  6899/133 erfasst.

Der Weg ist seit Jahrzehnten befestigt und asphaltiert. Er verfügt über eine gemeinsame Entwässerung durch drei mittig gelegene gemeinsame Gullys.  Beide Grundstücksteile neigen sich zur Mitte hin, um eine gemeinsame Entwässerung zu gewährleisten. Im Untergrund verläuft ein Abwasserkanal und sind Versorgungsleitungen verlegt. Wann genau, von wem und aufgrund welcher Absprache der Weg entsprechend angelegt wurde, ist streitig.

Die Grundbuchhistorie stellt sich wie folgt dar:

Im Februar 1938 wurden die Flurstücke 2940/133 und 2941/133 in die Flurstücke 6898/133, 6899/133, 6900/133, 6901/133 und 6902/133 geteilt.

Zulasten des Flurstücks 6899/133 – dem heutigen Wegeteil des Flurstücks 1716 – wurde am 12. April 1938 im Grundbuch folgende Dienstbarkeit eingetragen (GA 23 – 193/19):

Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Flur 51 Parzelle 6901/133 […] ist  berechtigt, die belastete Parzelle gemeinsam mit der Parzelle 6900/133 zum  Gehen und Fahren zu benutzen.

Gleichlautend wurde zulasten des Flurstücks 6900/133 – der weiterhin selbständigen Wegeparzelle der Widerbeklagten zu 2eingetragen:

Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Flur 51 Parzelle 6902/133 […] ist  berechtigt, die belastete Parzelle gemeinsam mit der Parzelle 6899/133 zum  Gehen und Fahren zu benutzen.

Am 2. Mai 1938 wurde das Flurstück 6901/133 in die Flurstücke 6911/133 (Grundstück der Klägerin), 6912/133 und 6913/133 (Wohngrundstück der Widerbeklagten zu 2)  geteilt.

2005 erfolgte die Verschmelzung der Flurstücke 6899/133, 6902/133, 3631/133 und 1646 zu Flurstück 1716 (Grundstück des Beklagten).

Seit dem 4. Mai 2018 ist im Grundbuch zulasten des Flurstücks 6900/133 (Wegeparzelle der Widerbeklagten zu 2) ebenfalls eine Grunddienstbarkeit folgenden Inhalts eingetragen (GA 36 – 194/19):

Grunddienstbarkeit (Wegerecht sowie eingeschränktes Fahrrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstückes […] Flurstück 6911/133 […].

Zugrunde liegt die entsprechende Bewilligung der Widerbeklagten zu 2 gemäß einer mit Datum vom 13./15. Februar 2016 von ihr und ihrem Ehemann sowie der Klägerin unterzeichneten „Nachbarschaftsvereinbarung mit Begründung von Grunddienstbarkeiten“ (GA 7-12 – 193/19). Danach war die Klägerin auch

„berechtigt, die Wegeparzelle Flur 51 Flurstück 6900/133 während der Bauarbeiten auf dem Grundstück Flur 51 Flurstück 6911/133 als Zufahrt zur Baustellenbeschickung zu nutzen“.

Zur Dienstbarkeit heißt es (S. 4):

„Der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundbesitzes ist berechtigt, den im anliegenden Lageplan grün markierten Bereich des dienenden Grundbesitzes als Zuwegung zu dem hinter dem Gebäude auf dem herrschenden Grundbesitz liegenden Garten zu nutzen. Der Weg darf zusätzlich mit Fahrzeugen befahren werden, sofern dies für Pflegearbeiten oder zum Abtransport von Gartenabfällen erforderlich ist. Der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundbesitzes ist darüber hinaus berechtigt, die gesamte Wegefläche […] zu nutzen, um Instandsetzungs- und Pflegearbeiten an der Grundstückseinfriedung durchzuführen.“

Gegen eine Nutzung des Weges durch die Klägerin und die zugunsten ihres Grundstückes eingetragene Dienstbarkeit wandte sich der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19. September 2018 (GA 36-39 – 193/19), weil er seine „ausschließlichen Eigentums -und Nutzungsrechte“ verletzt sah, und forderte die Klägerin fristsetzend auf, sich zu verpflichten,

„es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe, unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs, zu unterlassen, die Zufahrt zu den Grundstücken I-Straße 126/128,  A, und zwar sowohl die Parzelle Nummer: 6900/133 als auch die Parzelle 6899/133 durch Begehen oder durch Befahren zu nutzen oder nutzen zu lassen“.

Die Klägerin ließ daraufhin anwaltlich unter dem 26. September 2018 (GA 41-43 – 193/19) den Beklagten – ebenfalls unter Fristsetzung – auffordern, zu bestätigen, dass er sich der erhobenen Forderungen nicht mehr berühme, und entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR zu zahlen.

Klägerin und Widerbeklagten zu 2 haben die Ansicht vertreten, die Widerbeklagte zu 2 habe der Klägerin das im Grundbuch eingetragene Wege- und Fahrrecht auf dem Flurstück 6900/133 einräumen dürfen in, so dass die Klägerin die über das Grundstück der Widerbeklagten zu 2 führende Hälfte der Zufahrt zu benutzen befugt sei. Die Zufahrt sei keine Grenzeinrichtung im Sinne der §§ 921ff. BGB, deren Anwendung ohnehin durch die wechselseitig eingetragenen Grunddienstbarkeiten ausgeschlossen sei. Jedenfalls hätten die Parteivereinbarungen Vorrang.

Erstinstanzlich hat die Klägerin im Verfahren 20 U 193/19 beantragt,

1.  den Beklagten zu verurteilen, ihr Recht und das ihrer Rechtsnachfolger im Eigentum am Grundbesitz der Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133, zu dulden, die Wegparzelle Flur 51, Flurstück 6900/133 nach Maßgabe der Bewilligung einer Grunddienstbarkeit zu nutzen, wie sie Bestandteil der als Anlage 1 beigefügten Vereinbarung vom 13./15.02.2016 ist,

2.  den Beklagten zu verurteilen, an sie 237,07 EUR zu zahlen und

3.  festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, in die Löschung der Grunddienstbarkeit einzuwilligen, die zu ihren Gunsten im Grundbuch von A-B, Bl. 1400 Abt. II lfd. Nr. 5 eingetragen ist.

Der Beklagte hat beantragt,  die Klage abzuweisen

Zu seiner Klage im Verfahren 20 U 194/19, die im Verbund als Widerklage behandelt wird, hat der Beklagte erstinstanzlich die Anträge gestellt,

1.  gegenüber der Klägerin die Löschung der zu Lasten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Flur 51, Flurstück 6900/133 im Grundbuch von A-B, Bl. 1400, Abt. II, lfd.-Nr.; 5 verzeichneten Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt

„Grunddienstbarkeit (Wegerecht sowie eingeschränktes Fahrrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstückes A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133 (Blatt: 29155 BV Nr. 1)“

anzuordnen,

– hilfsweise –

die Klägerin zu verurteilen, in die Löschung der zu Lasten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Flur 51, Flurstück 6900/133 im Grundbuch von A-B, Bl. 1400, Abt. II, lfd.-Nr.; 5 verzeichneten Grunddienstbarkeit mit folgendem Inhalt

„Grunddienstbarkeit (Wegerecht sowie eingeschränktes Fahrrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstückes A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133 (Blatt: 29155 BV Nr. 1)“

einzuwilligen,

2.  die Widerbeklagte zu 2 zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der   Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise   Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahre zu veranlassen, der der Klägerin ohne seine vorherige Zustimmung die Nutzung der Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“- sowohl auf dem Grundstück Grundbuch von A-B, Flur 51, Flurstück 6900/133 als auch auf dem Grundstück A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) – zum Gehen und Fahren zu gestatten,

3.  die Klägerin zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, die Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“ – sowohl auf dem Grundstück, Flur 51, Flurstück 6900/133 als auch auf dem Grundstück A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) – ohne seine vorherige Zustimmung zum Gehen und Fahren zu nutzen.

4.  gegenüber der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2 festzustellen, dass die auf dem Grundstück Grundbuch von A-B, Flur 51, Flurstück 6900/133 und auf dem Grundstück A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) erbaute Zufahrtsstraße zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“ in seinem und der Widerbeklagten zu 2 gemeinsamen Eigentum – jeweils in Miteigentum zur ideellen Hälfte – steht,

– hilfsweise –

gegenüber der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2 festzustellen, dass das   Eigentum an der streitigen Zufahrt geteilt ist und dass der – auf dem Grundstück A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) – belegene Teil der Zufahrt in seinem Alleineigentum und dass der – auf der Parzelle 6900/133 belegene – Teil der Zufahrt im Alleineigentum der Widerbeklagten zu 2 steht,

Die Widerbeklagten zu 2 hat den Antrag zu 2. bezogen auf das Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) anerkannt und beantragt,

die Klage zum Antrag zu 1. abzuweisen und hinsichtlich des Antrags zu 2. in dem Umfang, wie der Antrag das Flurstück 6900/133 erfasst.

Die Klägerin hat den Antrag zu 3. bezogen auf das Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) anerkannt und beantragt, die Klage zum Antrag zu 3. abzuweisen, soweit der Antrag das Flurstück 6900/133 erfasst.

Im Übrigen haben Klägerin und Widerbeklagte zu 2 beantragt,  die (Wider-) Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei der im Streit stehenden Zufahrt handele es sich um eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB mit der Folge, dass die gemeinschaftliche Nutzung nicht einseitig durch die Widerbeklagte zu 2 ohne seine Zustimmung habe geändert werden dürfen. Die Widerbeklagte zu 2 sei nicht berechtigt, der Klägerin im Wege einer Grunddienstbarkeit ein Wege- und Fahrrecht – auch nicht allein auf dem Flurstück 6900/133 – einzuräumen. Im Übrigen stehe die Zufahrt insgesamt in seinem und der Widerbeklagten zu 2 Miteigentum, mit der Folge, dass sie beide nur gemeinschaftlich über sie verfügen könnten.

Im Verfahren 20 U 194/19 hat das Landgericht durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 12. Juli 2019 – 3 O 293/18 -, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, den Antrag zu 3. der hier als Widerklage behandelten Klage des Beklagten unter Hinweis auf das Parallelverfahren aufgrund anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig und den Hauptantrag zu 4. sowie den Antrag zu 5. mangels entsprechender Ansprüche des Beklagten abgewiesen. Den angekündigten Antrag zu 5., die Klägerin und Widerbeklagte zu 2 zu verurteilen, die Einfriedung der Zufahrt durch eine straßenseitige Toranlage mit einem Geh- und einem Fahrflügel auf den Flurstücken 6900/133 und 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) mit der Maßgabe zu gestatten, dass die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2 die Zufahrt im Umfang ihrer Eigentums- und Grunddienstbarkeitsrechte weiter nutzen können, hatte der Beklagte allerdings nicht gestellt, sondern im Termin vom 21. Juni 2019 mit Zustimmung der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2 zurückgenommen. Im Übrigen hat das Landgericht der (Wider-) Klage stattgegeben.

Im Verfahren 20 U 193/19 hat das Landgericht durch Urteil vom 12. Juli 2019 – 3 O 263/18 -, auf das ebenfalls wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage der Klägerin abgewiesen.

Gegen das Urteil – 3 O 263/18 – hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Den Klageantrag zu. 1. hat sie – da nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks „I-Straße130“ – für erledigt erklärt, soweit ihr persönliches Nutzungsrecht betroffen ist. Sie beantragt nunmehr,

1.   den Beklagten zu verurteilen, das Recht ihrer Rechtsnachfolger im Eigentum am Grundbesitz der Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133, derzeit Eheleute C D, geborene E, und F D, A, sowie des Herrn G H, A, zu dulden, die Wegparzelle Flur 51, Flurstück 6900/133 nach Maßgabe der Bewilligung einer Grunddienstbarkeit zu nutzen, wie sie Bestandteil der als Anlage 1 beigefügten Vereinbarung vom 13./15.02.2016 ist,

2.   den Beklagten zu verurteilen, an sie 237,07 EUR zu zahlen,

3.   festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, in die Löschung der Grunddienstbarkeit einzuwilligen, die zu ihren Gunsten im Grundbuch von A-B, Bl. 1400 Abt. II lfd. Nr. 5 eingetragen ist, und

– hilfsweise –

4.   unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Gegen das Urteil – 3 O 293/18 – haben alle Parteien Berufung eingelegt, bevor die Klägerin ihre Berufung auf Hinweis des Senats wieder zurückgenommen hat.

Der Beklagte akzeptiert die teilweise Abweisung der (Wider-) Klage, d.h. die Abweisung seines Hauptantrags des (Wider-) Klageantrags zu 4. Er greift das landgerichtliche Urteil an wegen der Abweisung der (Wider-) Klageanträge zu 3. und 5. Die Abweisung des zurückgenommenen Antrags habe nicht nur zu einer für ihn ungünstigeren Kostenquote geführt, sondern werde ihn auch wegen der ohne Durchführung des Berufungsverfahrens eintretenden materiellen Rechtskraft belasten, die ihn in Zukunft hindern werde, ein seinem Antrag entsprechendes Begehren gegenüber seinen Prozessgegnern durchzusetzen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

1.   das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als seine (Wider-) Klageanträge zu 3. und zu 5. abgewiesen worden sind und

a)  dem Klageantrag zu 3. stattzugeben und

b)  in Bezug auf den Klageantrag zu 5. festzustellen, dass dieser in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2019 mit Zustimmung der Prozessgegner zurückgenommen worden sind,

– klageerweiternd –

2.   die Widerbeklagte zu 2 zu verurteilen, der seinem Schriftsatz vom 24. Juli 2020 (GA 374 ff. – 194/19) als Anlage beigefügten Ausübungs- und Benutzungsregelung zuzustimmen,

– hilfsweise –

3.   eine angemessene und billige Benutzungsregelung gemäß § 315 BGB zu bestimmen sowie

4.   die Berufung und die Eventualwiderklage der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung des Beklagten und seinen Anträge im Schriftsatz vom 24. Juli 2020 zurückzuweisen und

– eventualwiderklagend –

2. festzustellen, dass sie und die Widerbeklagte zu 2 nicht verpflichtet sind, eine Einfriedung der Zufahrt durch eine straßenseitige Toranlage mit einem Geh- und einem Fahrflügel auf dem Flurstück 6900/133 und auf dem (vormaligen) Flurstück 6899/133 zu gestatten, insbes. eine solche, bei der nur der Kläger und die Beklagte 21 die Flurstücke 6900/133 und 6899/133 nutzen können.

Die Widerbeklagte zu 2 stellt die Anträge,

1.   die Berufung des Beklagten und die Anträge des Beklagten im Schriftsatz vom 24. Juli 2020 zurückzuweisen,

– eventualwiderklagend –

2.   festzustellen, dass sie und die Klägerin nicht verpflichtet sind, eine Einfriedung der Zufahrt durch eine straßenseitige Toranlage mit einem Geh- und einem Fahrflügel auf dem Flurstück 6900/133 und auf dem (vormaligen) Flurstück 6899/133 zu gestatten, insbes. eine solche, bei der nur der Kläger und die Beklagte 21 die   Flurstücke 6900/133 und 6899/133 nutzen können, sowie

3.   unter (teilweiser) Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage auch insoweit abzuweisen, als über ihr Teilanerkenntnis beim Antrag zu 2., bezogen auf das vormalige Flurstück 6899/133,  und das Teilanerkenntnis der Klägerin beim Antrag zu 3., bezogen auf das vormalige Flurstück 6899/133, hinaus stattgegeben worden ist,

– hilfsweise –

4.   unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Klägerin und Widerbeklagte zu 2 widersprechen der Klageerweiterung durch den Beklagten und beantragen insoweit Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 21. August 2020 Bezug genommen.

II.

A. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil im Verfahren 3 O 263/18 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Klägerin kann von den Beklagten die Duldung der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit entsprechend ihrer Vereinbarung mit der Widerbeklagten zu 2 vom 13./15. Februar 2016 verlangen.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, stehen dem Berechtigten die in § 1004 BGB bestimmten Rechte zu (§ 1027 BGB). Beeinträchtigung in diesem Sinn ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung der Dienstbarkeit (BGH, Urteil vom 22.10.2010 – V ZR 43/10, NJW 2011, 518). Dazu gehört auch die mit dem Verlangen nach Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung verbundene Aufforderung, die Ausübung der Dienstbarkeit zu unterlassen. Der Dienstbarkeitsberechtigte kann die Beseitigung bzw. die Unterlassung einer solchen Beeinträchtigung verlangen (§ 1004 Abs. 1 BGB). Dieser Anspruch ergibt sich unmittelbar aus der Grunddienstbarkeit (BGH, aaO.). Im Falle der rechtswidrigen Unterlassungsaufforderung entspricht dieses Verlangen der Forderung nach Duldung.

Gemäß § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO steht der Weiterverfolgung des Anspruchs durch die Klägerin die zwischenzeitliche Veräußerung und ihr Eigentumsverlust am Grundstück „I-Straße 130“ nicht entgegen.

Die Vereinbarung der Klägerin mit der Widerbeklagten zu 2 vom 13./15. Februar 2016 und die auf dieser Grundlage bewilligte Grunddienstbarkeit verletzen den Beklagten nicht in seinen Rechten.

1.1 Anders als Beklagter und Landgericht meinen, handelt es sich bei dem Stichweg, über den von der Straße „I-Straße“ das Wohngrundstück der Widerbeklagten zu 2 und das Haus des Beklagten erreicht werden, nicht um eine Grenzeinrichtung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist nicht jede auf der Grenze errichtete Anlage, die für die benachbarten Grundstücke vorteilhaft ist, eine Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB. Um eine „Grenzanlage“ handelt es sich bei einer Anlage nur, wenn sie auf der Grenze errichtet und der Nutzung der aneinander grenzenden Grundstücke untergeordnet ist, d.h. die Nutzung dieser Grundstücke nicht kennzeichnet, wie es etwa bei der grenzüberschreitenden Errichtung eines selbständig nutzbaren Gebäudes durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke der Fall ist. Eine Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB liegt auch dann nicht vor, wenn die Anlage die Nutzung eines der beiden Grundstücke im Wesentlichen ausschöpft oder der Vorteil für die beiden Grundstücke sich in der Vereinbarung ihrer gemeinschaftlichen Nutzung erschöpft (vgl. BGH, Urteil vom 7.3.2003 – V ZR 11/02 -, BGHZ 154, 139-146 = NJW 2003, 1753 Rn. 13).

Der hier in Rede stehende Zufahrtsweg schöpfte ursprünglich die Nutzung beider Wegeparzellen vollständig aus. Nach der Verschmelzung des Flurstücks 6899/133 zum Flurstück 1716, dem Grundstück des Beklagten, ist es immer noch so, dass das selbstständige Flurstück 6900/133 einzig und allein als Weg genutzt wird. Damit kann dieser Weg nicht als Grenzeinrichtung gelten.

Aus dem vom Beklagten angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Oktober 2011 – V ZR 10/11 – (NJW-RR 2012, 346) ergibt sich nichts anderes. Die vorliegend maßgebliche Frage, ob der Stichweg der Nutzung der beiden Grundstücke untergeordnet ist oder ob er im Wesentlichen die Nutzung beider oder jedenfalls eines der Grundstücke kennzeichnet, wird darin nicht behandelt. Der Bundesgerichtshof legt in seinem Urteil vielmehr dar (Rn. 36), dass die von ihm behandelte Sache nicht entscheidungsreif sei, weil die (dortige) auf der Grundstücksgrenze befindliche Zufahrt nur dann eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB sei, wenn sie für beide Grundstücke zu den maßgeblichen Verhältnissen zur Zeit ihrer Herstellung vorteilhaft war. Um die Frage, ob die Weganlage zur Zeit ihrer Herstellung für zwei benachbarte Grundstücke, auf deren Grenze sie errichtet wurde, vorteilhaft war, geht es hier jedoch nicht.

Für die Frage, ob eine Anlage der Nutzung zweier Nachbargrundstücke untergeordnet ist oder ob sie im Wesentlichen die Nutzung beider oder jedenfalls eines Grundstücks kennzeichnet, also für die Qualifizierung als Grenzanlage und die Anwendung der §§ 921, 922 BGB, auf möglicherweise weit zurückliegende Grundbuchstände abzustellen, wie es der Beklagte für richtig hält, widerspräche dem Sinn der Normen.

§ 921 BGB trägt gerade dem Umstand Rechnung, dass der Ursprung von Einrichtungen, die dem gemeinsamen Vorteil benachbarter Grundstücke dienen, oftmals weit zurückreicht und sich nicht mehr aufklären lässt. Deshalb und angesichts der Lage zwischen Grundstücken mit bisweilen unsicherem Grenzverlauf können die rechtlichen Verhältnisse ebenso leicht streitig werden, wie sie schwierig zu ermitteln sind. Dem will § 921 BGB durch die Vermutung eines Rechts zur gemeinschaftlichen Benutzung der Einrichtung begegnen. Damit soll Streitigkeiten zwischen den Nachbarn vorgebeugt und eine volkswirtschaftlich schädliche Zerstörung von für beide Grundstücke vorteilhaften Anlagen verhindert werden (vgl. BGH, Urteil vom 7.3.2003 – V ZR 11/02, BGHZ 154, 139 = NJW 2003, 1731 mwN). Folgte man dem Beklagten, müssten gerade die Ermittlungen angestellt werden, die die §§ 921 ff. BGB überflüssig machen wollen.

1.2 Selbst wenn es sich bei dem Stichweg – wie nicht – um eine Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB handeln würde, griffen die §§ 921 ff. BGB nicht ein. Sie finden nämlich keine Anwendung, wenn die Rechte an einer Grenzeinrichtung dinglich, etwa Grunddienstbarkeit, geregelt sind (vgl. BGH, Urteil vom 7.2.2020 – V ZR 128/19, NJW-RR 2020, 897). Maßgeblich ist dann das dingliche Rechtsverhältnis, weil sich nur so vermeiden lässt, dass dessen Inhalt überspielt und ggf. in sein Gegenteil verkehrt wird.

Entgegen der Ansicht des Beklagten gilt dieser Rechtsgrundsatz auch im vorliegenden Fall, der sich insoweit nicht von dem unterscheidet, der dem vorzitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zugrunde lag. Es gilt deshalb der Inhalt der wechselseitigen Grunddienstbarkeiten aus dem Jahr 1938, nach dem die jeweiligen Eigentümer der herrschenden Grundstücke berechtigt sind, ihren Wegeteil gemeinsam mit der Nachbarparzelle zu nutzen. Weitere Rechte an den dienenden Grundstücken, insbesondere das Recht, Dritte von der Mitnutzung auszuschließen, sind ihnen nicht eingeräumt.

1.3 Die streitige Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks „I-Straße 130“ beeinträchtigt auch nicht in unzulässiger Weise die zugunsten des Grundstücks des  Beklagten „I-Straße 126“ eingetragene Grunddienstbarkeit betreffend die belastete Grundstücksparzelle der Widerbeklagten zu 2.

1.3.1 Sie ist entsprechend der „Nachbarschaftsvereinbarung“ der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2 vom 13./15. Februar 2018 im Rang nach den Belastungen II/1 und 2 im Grundbuch eingetragen, das heißt auch nach der „Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Flur 51 Flurstück 6902/133“. Sie ist mit dieser vorrangigen, im Jahr 1938 eingetragenen Grunddienstbarkeit auch nicht unvereinbar.

1.3.2 Diese Dienstbarkeit vermittelt der Beklagten nur das Recht, in der ihm als Eigentümer des (bzw. eines – siehe unten) herrschenden Grundstücks eingeräumten Nutzungsberechtigung nicht beeinträchtigt zu werden.

Nach Eintragung einer Dienstbarkeit verbleibt dem Eigentümer des dienenden Grundstücks, soweit nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist, die Berechtigung, das Grundstück auch bezüglich des Ausübungsbereichs und in gleicher Weise wie der Dienstbarkeitsberechtigte mitzubenutzen, soweit dadurch die Rechte aus der Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtigt werden. Wenn der Dienstbarkeitsberechtigte die Ausschließlichkeit seines Nutzungsrechts behauptet, so muss er eine entsprechend vereinbarte Ausgestaltung der Dienstbarkeit beweisen. Ansonsten gilt: In dem Umfang, in welchem dem Eigentümer des dienenden Grundstücks das Mitbenutzungsrecht zusteht, kann er es auch an Dritte übertragen, auch durch Belastung mit einer weiteren auf dieselbe Nutzung gerichteten Dienstbarkeit, sofern sich ein Mitbenutzungsrecht dritter Personen mit der Dienstbarkeit des zunächst Berechtigten vereinbaren lässt (Staudinger/Weber (2017) BGB § 1018, Rn. 74).

Die vereinbarte Ausgestaltung der Dienstbarkeit derart, dass der Weg, auch soweit er über das Grundstück der Widerbeklagten zu 2 führt, allein von dieser und von ihm genutzt werden darf, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ein „ausschließliches“ Mitbenutzungsrecht des Beklagten – neben dem Nutzungsrecht des jeweiligen Grundstückseigentümers – betreffend das Flurstück 6900/133 ist nicht feststellbar. Der Beklagte   persönlich hat, soweit vorgetragen, weder mit der Widerbeklagten zu 2 noch mit einem ihrer Rechtsvorgänger eine Vereinbarung über die Nutzung des Flurstücks getroffen. Zu einer in früheren Zeiten zwischen anderen Personen – früheren Grundstückseigentümern – getroffenen schuldrechtlichen oder die wechselseitigen Dienstbarkeiten ausgestaltenden Vereinbarung, aus der er Rechte herleiten könnte, die über das hinausgehen, was sich aus der Grundbucheintragung selbst ergibt, trägt er nichts vor.

Die Berufung auf den Wortlaut der Grunddienstbarkeit: „Der jeweilige Eigentümer […] ist berechtigt, die belastete Parzelle gemeinsam mit der Parzelle 6809/133 zum Gehen und Fahren zu benutzen,“ der umgekehrt auch für die dem jeweiligen Eigentümer der Parzelle 6809/133 eingeräumte Grunddienstbarkeit zulasten des Grundstücks des Beklagten gilt, hilft nicht weiter. Diesem Wortlaut lässt sich nur entnehmen, dass die jeweiligen Eigentümer der herrschenden Grundstücke beim Gehen und Fahren beide Parzellen „gemeinsam“ benutzen dürfen, also nicht auf ihre jeweils eigne Wegesseite beschränkt sind. Eine Ausschließlichkeitsvereinbarung des Inhalts, dass der jeweilige Eigentümer darüber hinaus in der Verfügung über sein Grundstück eingeschränkt ist, ergibt sich allein aus dem Wortlaut nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, welcher Grund bei der wechselseitigen Bewilligung der Grunddienstbarkeiten für die Eigentümer der  herrschenden Grundstücke bestanden haben sollte, über die Bewilligung des Mitbenutzungsrechts zugunsten der jeweils anderen Seite Verzichte auf die Ausübung von Verfügungsrechten über ihre Grundstücke zu erklären.

1.3.3 . Hinzu kommt, dass die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks „I-Straße 130“ – des Flurstücks 6911/133 – ebenfalls Grunddienstbarkeitsberechtigte der auf der ehemaligen selbstständigen Parzelle 6899/133 lastenden Grunddienstbarkeit sind. Das Flurstück 6911/133 ist nämlich Teil des ursprünglich einheitlichen herrschenden Grundstücks 6901/133, aus dem es am 2. Mai 1938 durch Teilung hervorgegangen ist. Gemäß § 1025 S. 1 BGB besteht die Grunddienstbarkeit für alle drei Teile des früher einheitlichen Grundstücks grundsätzlich fort. Danach wäre der Beklagte nicht einmal berechtigt, den Eigentümern des Grundstücks „I-Straße 130“ die Nutzung des Weges zu untersagen, soweit er über sein eigenes Grundstück verläuft.

§ 1025 S. 2 BGB, wonach nach einer Teilung des herrschenden Grundstücks die Grunddienstbarkeit für einen Teil entfällt, wenn sie für ihn keinen Vorteil mehr hat, greift nicht ein. Zwar bestand zugunsten des Flurstücks 6911/133 seit der Teilung im Mai 1938 bis ins Jahr 2018 hinein keine entsprechende Grunddienstbarkeit auf dem Grundstück 6900/133, das zwischen dem Grundstück der Klägerin und der ehemaligen Parzelle 6899/133 gelegen ist. Ohne die Möglichkeit, das Grundstück 6900/133 zu nutzen, wäre die Grunddienstbarkeit zulasten der Parzelle 6899/133 für das Grundstück der Klägerin daher wertlos gewesen. Jedoch trägt der Beklagte selbst vor, dass für die Eintragung einer Dienstbarkeit zugunsten des Flurstücks 6911/133 und zulasten des Flurstücks 6900/133 seinerzeit eine Notwendigkeit nicht bestand, weil die Grundstücke in einer Hand waren. Die naheliegende Möglichkeit, den Nutzungsvorteil der auf der Parzelle 6899/133 lastenden Grunddienstbarkeit durch Vereinbarung oder bloße Eintragung (bei fortbestehender Eigentümeridentität) einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zulasten des Flurstücks 6901/133, das ohnehin mitbenutzt werden durfte, zu „erschließen“, hat als „Vorteil“ des klägerischen Grundstücks die Grunddienstbarkeit fortbestehen lassen.

Das im Parallelverfahren bezogen auf die Parzelle 6899/133 von der Klägerin erklärte Teilanerkenntnis zum dortigen (Wider-) Klageantrag zu 3 des Beklagten – die Klägerin zu verurteilen, es zu unterlassen, den Weg ohne seine Zustimmung zu begehen oder zu befahren – betrifft nicht die Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks „I-Straße 130“, sondern es bindet allein Klägerin als Person. Auch könnte das Anerkenntnis nicht nachträglich die Bewilligung und Eintragung der Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Grundstücks „I-Straße 130“   zulasten der Wegeparzelle 6901/133 infrage stellen.

1.3.4 Eine Beeinträchtigung der sein Grundstück begünstigenden Dienstbarkeit hat der Beklagte aufgrund des  zu Gunsten des Grundstücks „I-Straße 130“ eingetragenen Geh- und eingeschränkten Fahrrechts auch nicht wegen dessen konkreter Ausgestaltung zu besorgen. Den Eigentümern des herrschenden Grundstücks wird kein exzessives Nutzungsrecht eingeräumt. Nach der in Bezug genommenen Vereinbarung zwischen Klägerin und Widerbeklagter zu 2 ist der jeweilige Eigentümer des Grundstücks im Bereich des im Lageplan grün markierten Bereich – dem Wegesteil von der Straße „I-Straße“ bis zum derzeitigen Gartentor des Grundstücks „I-Straße 130“ – berechtigt, die Wegeshälfte der Widerbeklagten zu 2 als Zuwegung zum Garten zu benutzen. Zusätzlich darf der Weg (auf der Hälfte der Widerbeklagten zu 2) mit Fahrzeugen befahren werden, sofern dies für Pflegearbeiten oder zum Abtransport von Gartenabfällen erforderlich ist, und ist der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundbesitzes berechtigt, die gesamte Wegefläche (auf der Hälfte der Widerbeklagten zu 2) zu nutzen, um Instandsetzungs- und Pflegearbeiten an der Grundstücks-einfriedung durchzuführen.

Damit ist den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks „I-Straße 130“ nicht das Recht eingeräumt, die Wegeshälfte der Widerbeklagten zu 2 mit Fahrzeugen einer Breite zu benutzen, die eine Mitbenutzung des Grundstücksteils des Beklagten erforderlich macht. Soweit die Eigentümer des Grundstücks „Unter den Gründen 130“ sich nicht auf andere Grundlagen, etwa die Grunddienstbarkeit aus dem Jahr 1938 oder nachbarrechtliche Vorschriften, stützen können, ist es ihre Sache, dafür Sorge zu tragen, nicht aufgrund der von ihnen eingesetzten Fahrzeuge oder sonstige Geräte die Grenzen der ihnen durch die hier streitige Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechte  einzuhalten. Grundsätzlich sind sie – wie die Widerbeklagte zu 2 und auch der Beklagte selbst – natürlich verpflichtet, öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere bezüglich der Feuerwehrzufahrt, zu beachten. Davon, dass Begegnungsverkehr nicht möglich wäre, geht der Senat aufgrund der Wegesbreite und der auch vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder nicht aus. Soweit es wegen eines von ihm auf seinem Teil angelegten Beetstreifens zu Erschwerungen kommen sollte, handelte es sich nicht um Beeinträchtigungen, die von der von der Widerbeklagten zu 2 bewilligten Grunddienstbarkeit und ihrer Ausübung ausgehen.

Insgesamt ist zu bedenken, dass die Berechtigten gemäß § 1020 BGB zur schonenden Ausübung ihrer Rechte verpflichtet sind. Ernsthafte Konflikte werden – bei allseits rechtmäßigem Verhalten – zu vermeiden sein. Gegebenenfalls wären die Mitbenutzungsrechte entsprechend § 745 Abs. 2 BGB zu regeln (vgl. BGH, Urteil vom 19.9.2008 – V ZR 164/07, NJW 2008, 3703 Rn. 26). Im Falle einer Übermaßnutzung bestünde  zugunsten des Beklagten ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB.

1.4 Die von der Widerbeklagten zu 2 bewilligte Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks „I-Straße 130“ beeinträchtigt auch kein Miteigentum des Beklagten an der Asphaltdecke auf dem Flurstück 6901/133 der Widerbeklagten zu 2. Dieser Teil der Asphaltdecke des Stichweges steht vielmehr im Alleineigentum der Widerbeklagten zu 2, deren Grundeigentum er überdeckt. Er ist wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne von §§ 946, 94 Abs. 1 S. 1 BGB, weil die Asphaltdecke mit dem Grund und Boden fest verbunden ist, und daher gemäß § 93 BGB nicht Gegenstand eigener Rechte. Die Ausnahmeregelungen des § 95 Abs. 1 BGB greifen nicht. Die Asphaltdecke ist nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden (Abs. 1 S. 1). § 95 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach ein Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, nicht Bestandteil des Grundstücks – und damit „Scheinbestandteil“ – ist, passt ebenfalls nicht, selbst dann, wenn – wie zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden mag – beide Grundstückseigentümer gemeinsam den Weg hergerichtet hätten. Dann hätten beide Seiten jeweils nur das für sie fremde Grundstück „in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück“ bebaut. Im Übrigen hätten sie als Grundstückseigentümer auf eigenem Grund und Boden gebaut. Es wäre dann eher von gegenseitiger Nachbarschaftshilfe auszugehen.

Bei der die Grundstücke des Beklagten und der Widerbeklagten zu 2 in Anspruch nehmenden Asphaltdecke bzw. der gesamten Wegkonstruktion gilt deshalb der Grundsatz der lotgerechten bzw. vertikalen Teilung, von dem zu Recht hat das Landgericht ausgegangen ist. Das gilt auch dann, wenn Asphaltdecke und Entwässerungsanlage, wie der Beklagte meint, ein einheitliches Bauwerk sein sollten. Wenn die Bauweise eines Bauwerks die Trennung in zwei wirtschaftliche Einheiten entsprechend der Grundstücksgrenze erlaubt – wie es hier der Fall ist -, ist jeder Gebäudeteil dem Grundstück zuzuordnen, auf dem er steht (vgl. MüKoBGB/Stresemann, 8. Aufl., § 94  Rn. 10).

2. Aus den Ausführungen unter 1. folgt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist – und auch bis zum Verlust ihres Eigentums am Grundstück „I-Straße 130“ nicht  verpflichtet war – in die Löschung der zu Gunsten des Grundstücks von der Widerbeklagten zu 2 bewilligten Grunddienstbarkeit einzuwilligen.

3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin vom Beklagten aus § 280 BGB. Aufgrund der ungerechtfertigten Forderung des Beklagten, die Ausübung der zugunsten ihres Grundstücks bestellten Grunddienstbarkeit zu unterlassen und in deren Löschung einzuwilligen, war es angemessen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Höhe nach ist ein Schadensersatzanspruch mindestens in der geltend gemachten und titulierten Höhe begründet.

4. Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren 30 O 263/18 folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

B. Betreffend das landgerichtliche Urteil im Verfahren 3 O 293/18 war, da die Klägerin ihre diesbezügliche Berufung zurückgenommen hatte, in der Sache nur noch über die Rechtsmittel der Widerbeklagten zu 2 und des Beklagten zu entscheiden.

Beide Berufungen sind zulässig. Anders als die Berufung der Widerbeklagten zu 2 hat diejenige des Beklagten jedoch nur in geringem Umfang Erfolg.

1.   Berufung der Widerbeklagten zu 2:

1.1 Aus den Ausführungen unter A. betreffend das Berufungsverfahren zum Urteil in der Sache 3 O 263/18 ergibt sich, dass die Widerbeklagte zu 2 berechtigt war, die vom Beklagten angegriffene Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks „I-Straße 130“ zu bewilligen. Diesbezügliche Abwehransprüche gegen die Widerbeklagte zu 2 stehen dem Beklagten daher nicht zu. Das betrifft die (Wider-) Klageanträge zu 1 und zu 2.

1.2 Für den Feststellungs-Hilfsantrag zu Klageantrag zu 4., dem das Landgericht entsprochen hat, fehlt ein rechtliches Interesse des Beklagten im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, denn die im Urteil festgestellten Eigentumsverhältnisse sind von der Widerbeklagten zu 2 auch vorgerichtlich nicht infrage gestellt worden, sie entsprechen im Gegenteil der von ihr vorgetragenen Rechtsansicht. Deswegen ist dieser Widerklageantrag unzulässig.

2.   Berufung des Beklagten:

2.1 Die Abweisung des – allein gegen die Klägerin gerichteten – (Wider-) Klageantrags zu 3. als unzulässig ist – abgesehen davon, dass das Landgericht gemäß § 139 Abs. 3 ZPO auf seine Bedenken gegen die Zulässigkeit hätte hinweisen müssen – zumindest weitgehend nicht gerechtfertigt.

Das Landgericht begründet das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 S. 1 ZPO) für den (Wider-) Klageantrag zu 3.,

die Klägerin zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, die Zufahrt zu den Grundstücken „I-Straße 126/128,  A“ – sowohl auf dem Grundstück, Flur 51, Flurstück 6900/133 als auch auf dem Grundstück A-B, Flur 51, Flurstück 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) – ohne seine vorherige Zustimmung zum Gehen und Fahren zu nutzen,

mit dem im Parallelverfahren 3 O 263/18 von der Klägerin früher rechtshängig gemachten Antrag,

den Beklagten zu verurteilen, ihr Recht und das ihrer Rechtsnachfolger im Eigentum am Grundbesitz der Gemarkung A-B, Flur 51, Flurstück 6911/133, zu dulden, die Wegparzelle Flur 51, Flurstück 6900/133 nach Maßgabe der Bewilligung einer Grunddienstbarkeit zu nutzen […].

Eine Identität des Streitgegenstandes besteht jedoch zumindest nicht, soweit im Verfahren 3 O 293/18 auch die Nutzungsbefugnis betreffend das vormalige Flurstück 6899/133 Streitgegenstand ist. Insoweit hätte das Landgericht entsprechend dem Teilanerkenntnis des Klägers zugunsten des Beklagten entscheiden müssen (§ 307 S. 1 ZPO).

Betreffend das Flurstück 6900/133 besteht jedenfalls hinsichtlich der geforderten Strafbewehrung keine Identität. Insofern ist die im Verfahren 3 O 293/18 geforderte Unterlassung mehr als das Spiegelbild der im Parallelverfahren von der Klägerin geforderten Duldung. Hier wäre schon erstinstanzlich zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen eine Verfahrensaussetzung gemäß § 148 Abs. 1 ZPO angezeigt gewesen, wenn keine Verbindung gemäß § 147 ZPO gewollt war.

Betreffend das Flurstück 6900/13, also abgesehen von dem unterbliebenen Teilanerkenntnisurteil zulasten der Klägerin, hat der Beklagte mit seiner Berufung in der Sache jedoch aus den dargelegten Gründen insoweit keinen Erfolg.

2.2 Die Abweisung des mit Zustimmung der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2 zurückgenommenen – gegen beide gerichteten – (Wider-) Klageantrags zu 5., sie zu verurteilen, die Einfriedung der streitgegenständlichen Zufahrt durch eine straßenseitige Toranlage mit einem Geh- und einem Fahrflügel auf den Flurstücken 6900/133 und 1716 (vormals: Flurstück 6899/133) mit der Maßgabe zu gestatten, dass Klägerin und Widerbeklagte zu 2 die Zufahrt im Umfang ihrer Eigentums- und Grunddienstbarkeitsrechte weiter nutzen können, verstößt gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Diese Vorschrift wird nicht nur verletzt, wenn einem Kläger ein Anspruch zuerkannt wird, den er nicht erhoben hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Anspruch aberkannt wird, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BGH, Urteil vom 29.11.1990 – I ZR 45/89, NJW 1991, 1683). Bezugspunkt des § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO ist trotz weiter gefassten Wortlauts der Sachantrag des Klägers, der damit angibt, was er aufgrund des von ihm geltend gemachten Rechts vom Beklagten begehrt (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es bedeutet deshalb eine Verletzung des § 308 Abs. 1 ZPO, wenn das Gericht dem Kläger einen prozessualen Anspruch aberkennt, den er nicht (mehr) zur Entscheidung gestellt hat (MüKoZPO/Musielak, 5. Aufl., ZPO § 308 Rn. 5). Wird also – wie hier – ein (Wider-) Klagantrag zulässiger Weise zurückgenommen, darf das Gericht nicht mehr über diesen Antrag befinden (BeckOK ZPO/Elzer, 35. Ed. 1.1.2020, ZPO § 308 Rn. 7).

§ 308 Abs. 1 ZPO beschreibt für den Zivilprozess die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Gericht und Parteien und ist Ausdruck des Prinzips der Parteifreiheit und Parteiverantwortung, auf das Dispositionsmaxime und Verhandlungsgrundsatz zurückzuführen sind (MüKoZPO/Musielak, 5. Aufl., ZPO § 308 Rn. 1).

Ein Verstoß ist von Amts wegen zu beachten (BGH, Urteil vom 7.3.1989 – VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087: BGH, Urteil vom 23.9.2015 – I ZR 105/14, GRUR 2015, 1214). Die von den Klägerin und Widerbeklagter zu 2 diesbezüglich gegen die Zulässigkeit der Berufung vorgebrachten Bedenken greifen schon deswegen nicht. Das landgerichtliche Urteil war insoweit aufzuheben.

Für die vom Beklagten begehrte ausdrückliche Feststellung, „dass dieser Klageantrag […] mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen worden ist“, besteht allerdings kein Bedürfnis und gibt es keine Grundlage.

3.   Die von dem Beklagten im Berufungsverfahren vorgenommene Klageerweiterung ist gemäß § 533 ZPO als Klageänderung nicht zulässig. Einer Verhandlung und Entscheidung über den Antrag, sie zur Zustimmung zu einer Ausübungs- und Benutzungsregelung betreffend die streitgegenständliche Zufahrt zu verurteilen, haben die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2 nicht zugestimmt. Der Senat hält – anders als eine vergleichsweise Einigung – eine streitige Entscheidung im laufenden Verfahren auch nicht für sachdienlich (§ 533 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist ohne den Klageänderung entscheidungsreif. Auch wäre eine Entscheidung über Verpflichtung von Klägerin und Widerbeklagter zu 2, einer Ausübungs- und Benutzungsregelung zuzustimmen, und wie diese konkret aussehen müsste, um zustimmungspflichtig zu sein, aufgrund des bisherigen Vortrags der Parteien und der vorgelegten Unterlagen nicht zu treffen (§ 533 Abs. 2 ZPO).

Die gleichen Gründe sprechen auch gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrags des Beklagten. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob der Anwendungsbereich von § 315 BGB überhaupt eröffnet wäre.

4.Da dem Feststellungsantrag zu 1.b des Beklagten aus seiner Berufungsschrift mangels Zulässigkeit nicht entsprochen wurde, ist die Bedingung des Eventual-Klageantrags der Klägerin und der Widerbeklagten zu 2, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, die von dem Beklagten gewollte Einfriedung der Zufahrt zu gestatten, nicht eingetreten. Über diesen Antrag ist deswegen nicht zu entscheiden.

5. Die Kostenentscheidung für das landgerichtliche Verfahren folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

C. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren  folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 516 Abs. 3 ZPO.

D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

E. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.100 EUR

(20 U 193/19: 6.600 EUR; 20 U 194/19: 23.500 EUR – davon Berufung des Beklagten 15.000 EUR [je 5.000 EUR betreffend seine Anträge zu 3 und zu 5 sowie die Klageerweiterung], Berufung der Klägerin 500 EUR und Berufung der Widerbeklagten zu 2 8.000 EUR [Antrag zu 1: 5.000 EUR, Antrag zu 2: 2.500 EUR, Antrag zu 4: 500 EUR])

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