OLG München – Az.: 34 Wx 54/17 – Beschluss vom 28.06.2017
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 28. Dezember 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Anträge der Beteiligten vom 28. November 2016 zurückgegeben mit der Anweisung, die Eintragung der Auflassung und Löschung der Grundpfandrechte nicht aus den im Beschluss vom 28. Dezember 2016 genannten Gründen abzulehnen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 und seine verstorbene Ehefrau sind im Grundbuch als Miteigentümer zu ½ von Wohnungs- und Teileigentum eingetragen. Nach dem Erbschein vom 11.11.2016 wurde die Ehefrau vom Beteiligten zu 1 zu ½ und von den beiden Kindern zu ¼ beerbt. Der Sohn der Erblasserin hat mit Urkunde vom 2.6.2016 seinen Erbanteil an seinen Vater, den Beteiligten zu 1, übertragen.
Der Beteiligte zu 1 schloss mit seiner Tochter, der Beteiligten zu 2, zu notarieller Urkunde vom 3.6.2016 eine Vereinbarung über die Teilerbauseinandersetzung und Überlassung von Wohnungs- und Teileigentum.
In Ziff. II. ist vereinbart:
1. Erbauseinandersetzung
Herr … (Beteiligter zu 1) und Frau … (Beteiligte zu 2) – nachstehend auch als „Übergeber“ bezeichnet – setzen die Erbengemeinschaft nach dem in Abschnitt I. genannten Verstorbenen in der Weise auseinander, dass
Frau … (Beteiligte zu 2)
– nachstehend als „Übernehmer“ bezeichnet –
zum Alleineigentum mit allen Rechten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör den in Abschnitt I. Ziffer 1 genannten erbengemeinschaftlichen Miteigentumsanteil erhält.
2. Überlassung
Herr… (Beteiligter zu 1)
– nachstehend als „Übergeber“ bezeichnet –,
überlässt
hiermit an seine Tochter,
Frau… (Beteiligte zu 2)
– nachstehend als „Übernehmer“ bezeichnet -,
zum Alleineigentum seinen halben Miteigentumsanteil an dem in Abschnitt I. aufgeführten Grundbesitz samt allen Rechten, Bestandteilen sowie dem gesetzlichen Zubehör, so dass diese künftig als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen ist.
Die Überlassung erfolgt unentgeltlich im Weg der vorweggenommenen Erbfolge, soweit nicht im Folgenden Gegenleistungen bzw. Auflagen vereinbart werden.
3. Auflassung
Die Vertragsteile sind darüber einig, dass das Eigentum auf den Übernehmer übergeht.
Zudem ist folgendes vereinbart:
VI. Nießbrauch
1. Der Übergeber … behält sich auf seine Lebenszeit den unentgeltlichen Nießbrauch an dem heutigen Vertragsgegenstand vor, so dass dem Übergeber künftig alle Nutzungen des Vertragsgegenstandes zustehen.
…
VII. Weitere Gegenleistung
Als weitere Gegenleistung überträgt der Übernehmer an den Übergeber seinen Erbanteil an der Mutter, …, gemäß beigefügter und mitverlesener Anlage.
In der am gleichen Tag beurkundeten Anlage ist unter der Überschrift Erbanteilsübertragung geregelt:
Frau… (Beteiligte zu 2)
– nachstehend als „Veräußerer“ bezeichnet – überlässt und überträgt hiermit ihren Erbanteil zu ¼ an dem Nachlass des in Ziffer I. 1. dieser Urkunde genannten Erblassers, …
an ihren Vater Herrn … (Beteiligter zu 1)
– nachstehend als „Erwerber“ bezeichnet –,
als Alleinberechtigten.
Der Erwerber nimmt die Anteilsabtretung an.
Die Erbteilsübertragung erfolgt mit sofortiger dinglicher Wirkung.
Am 28.11.2016 beantragten die Beteiligten in Vollzug der notariellen Urkunde die Eintragung der Auflassung unter Verzicht auf Zwischeneintragung, das bestellte Nießbrauchsrecht mit einem Löschungserleichterungsvermerk sowie die Löschung von Grundpfandrechten, wobei einheitlicher Vollzug der Anträge „gewünscht“ wurde.
Das Amtsgericht – Grundbuchamt – hat am 28.12.2016 diesen Antrag zurückgewiesen. Da die Kinder ihre Erbanteile auf den Beteiligten zu 1 übertragen hätten, sei die Beteiligte zu 2 nicht mehr Miterbin und eine Teilerbauseinandersetzung ausgeschlossen. Mangels Vorlage der Urkunde vom 2.6.2016 sei zudem nicht hinreichend nachgewiesen, dass der Löschung der Grundpfandrechte der Sohn der Erblasserin in Folge der Erbteilsübertragung nicht mehr zustimmen muss.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 16.1.2017, der auch die notarielle Urkunde vom 2.6.2016 beigefügt ist. Vor Unterzeichnung der Teilerbauseinandersetzungs-Urkunde seien die Beteiligten zu 1 und 2 noch Mitglieder einer Erbengemeinschaft gewesen. Dass mit der Unterzeichnung der Erbteil der Beteiligten zu 2 auf den Beteiligten zu 1 übergegangen sei und damit eine Erbengemeinschaft nicht mehr bestehe, sei Ziel der Vereinbarung. Dies würde jedoch an der Wirksamkeit der Auflassung nichts ändern, denn es sei nicht die Erbauseinandersetzung im Grundbuch einzutragen, sondern die Auflassung.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Das Rechtsmittel ist als unbeschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs.1 GBO statthaft und in zulässiger Form eingelegt (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO).
Es hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Anträge auf Eintragung wurden nach § 13 GBO von beiden Beteiligten als gewinnendem und verlierendem Teil wirksam gestellt.
2. Die für die Eintragung erforderliche Auflassung des halben Miteigentumsanteils des Beteiligten zu 1, § 20 GBO, liegt formgerecht, § 29 Abs. 1 GBO, vor.
Auch der in die Erbmasse gefallene Hälfte-Anteil der Erblasserin wurde jedoch wirksam aufgelassen. In der notariellen Vereinbarung ist im Rahmen der Teilerbauseinandersetzung die Auflassung des Bruchteils an Wohnungs- und Teileigentum wirksam erklärt und nur im Übrigen eine (Teil-)Erbteilsübertragung erfolgt.
a) Eine Erbauseinandersetzung nach §§ 2042 ff BGB erfolgt in der Regel durch Aufteilung der Bestandteile des Reinnachlasses auf die Miterben. Erst durch den dinglichen Vollzug der Teilung wird Eigentum des Miterben an den ihm zugewiesenen Vermögensgegenständen begründet (Palandt/Weidlich BGB 76. Aufl. § 2042 Rn. 17). Auch eine Teilerbauseinandersetzung ist möglich. Diese kann als persönliche Teilerbauseinandersetzung mit dem Ziel des Ausscheidens einzelner Miterben aus der Erbengemeinschaft erfolgen oder als gegenständliche Teilerbauseinandersetzung mit dem Ziel der Herausnahme einzelner Gegenstände (Weidlich § 2042 Rn. 10 und 11). Verbleibt nach der Erbauseinandersetzung durch Übertragung der Erbteile der übrigen Miterben nur noch ein einzelner Miterbe, so ist die Gemeinschaft beendet (Staudinger/Löhnig BGB Bearb. 2016 § 2042 Rn. 60).
b) Eine teilweise gegenständliche Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft mit dem Ziel der Übertragung von Grundstücken auf Miterben setzt zum dinglichen Vollzug die Auflassung voraus (RGZ 57, 432/434; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 20 Rn. 32; Kössinger in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 20 Rn. 100; Hügel GBO 3. Aufl. § 20 Rn. 22; KEHE/Munzig GBO 7. Aufl. § 20 Rn. 21; Staudinger/Pfeifer BGB Bearb. 2017 § 925 Rn. 24). Das materielle Konsensprinzip des § 20 GBO erfordert dabei, dass – zusätzlich zu der Bewilligung des verlierenden Teils (§ 19 GBO, formelles Konsensprinzip) – eine materiell-rechtliche Einigung, die den Verfahrensvorschriften der §§ 20, 29 GBO genügt, nachgewiesen wird. Zu prüfen hat das Grundbuchamt die Auflassung unter anderem auch dahingehend, ob sie von allen verfügungsberechtigten Personen erklärt ist. Die Auflassungberechtigung ist Ausfluss der sachenrechtlichen Verfügungsbefugnis und muss grundsätzlich noch im Zeitpunkt der Eintragung vorliegen (Demharter § 20 Rn.40).
Als Vorschrift des Grundbuchverfahrensrechts verlangt § 20 GBO nicht, dass die Wirksamkeit der Einigung vom Grundbuchamt festgestellt werden muss (BayObLG FGPrax 2005, 56). Liegt dem Grundbuchamt der Nachweis der Auflassung vor, kann es die Eintragung der Einigung nur dann ablehnen, wenn es aufgrund feststehender Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde (OLG Frankfurt a. M. NotBZ 2006, 285; OLG Düsseldorf Rpfleger 2000, 107; Demharter GBO § 20 Rn 38). Auch der Inhalt des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts ist vom Grundbuchamt in der Regel nicht zu prüfen (BayObLG Rpfleger 1981, 233), wenn sich nicht in Ausnahmefällen die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auf das dingliche Geschäft auswirkt (Hügel/Holzer § 19 Rn. 55; Meikel/Böttcher Einl. D Rn. 97 und 98; Hügel § 20 Rn 64).
c) Vorliegend ist der Nachweis der Auflassung durch die auflassungsberechtigten Personen geführt.
aa) Aus der vorgelegten Ausfertigung des Erbscheins vom 11.11.2016 geht hervor, dass die Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Sohn Erben geworden sind.
Durch Vorlage der beglaubigten Abschrift der notariellen Erbteilsübertragung vom Sohn auf den Beteiligten zu 1 ist die Anwachsung des Erbteils bei diesem nachgewiesen. Die Urkunde kann als neuer Sachvortrag auch im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden (§ 74 GBO).
Bei Errichtung der Auflassungsurkunde waren somit die beiden Beteiligten hinsichtlich des hälftigen Miteigentums als Miterben verfügungsbefugt.
bb) Die beiden Beteiligten sind trotz der mit sofortiger dinglicher Wirkung vereinbarten Erbteilsübertragung auch derzeit noch in Erbengemeinschaft verbunden und hinsichtlich der Nachlassimmobilie auflassungsberechtigt.
Die Urkunde vom 3.6.2016, der eine mit Erbanteilsübertragung bezeichnete Anlage beigefügt ist, haben die Beteiligten zu 1 und 2 zutreffend als Teilerbauseinandersetzungsvertrag und Überlassung von Wohnungs- und Teileigentum bezeichnet. Mit der Urkunde wird nämlich eine gegenständliche Teilerbauseinandersetzung im Hinblick auf den der Beteiligten zu 2 überlassenen Hälfteanteil am Wohnungs- und Teileigentum vereinbart. Die als weitere Gegenleistung bezeichnete Erbteilsübertragung stellt sich, nachdem das Wohnungs- und Teileigentum schon im Teilauseinandersetzungsvertrag geregelt ist, nur noch als eine auf den verbleibenden Rest des Nachlasses bezogene Teilübertragung dar und bezieht sich nicht auf das in der Urkunde geregelte Wohnungs- und Teileigentum.
Bis zum Ausscheiden des Wohnungs- und Teileigentums aus dem Nachlass, mithin bis zur Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch, besteht damit die Erbengemeinschaft der Beteiligten zu 1 und 2 fort, so dass beide das Eigentum an der Immobilie auflassen müssen. Dies ist auch in der notariellen Urkunde vom 3.6.2016 geschehen.
cc) Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Vereinbarungen im Erbauseinandersetzungsvertrag sind nicht vorhanden. Dass die erklärte Erbteilsübertragung der vereinbarten, gegenständlichen Teilauseinandersetzung – wie das Grundbuchamt meint – den Boden entziehen würde, ist nicht zutreffend (s. oben bb).
d) Selbst wenn man der Argumentation des Grundbuchamtes folgen würde, könnte die Auflassungserklärung in Ziff. II.3. als eine solche des Beteiligten zu 1 ausgelegt werden, die – neben dem eigenen Anteil – nun nach (unterstellter) Übertragung des vollen Erbanteils der Beteiligten zu 2 auf ihn auch den ihm aus dem Nachlass angewachsenen Hälfteanteil umfassen würde. Auch dann könnte die Entscheidung des Grundbuchamts nicht Bestand haben.
3. Das Erfordernis der Voreintragung nach § 39 GBO steht der Eintragung nicht entgegen, da nach § 40 GBO bei Übertragung des Eigentums durch den oder die Erben die Auflassung auch dann eingetragen werden kann, wenn noch der Erblasser eingetragen ist (Demharter § 39 Rn. 16).
4. Soweit das Grundbuchamt zudem zur Löschung von Belastungen neben der Löschungsbewilligung (§ 19 GBO) und der Zustimmung der Beteiligten nach § 27 GBO noch den Nachweis gefordert hat, dass eine solche Zustimmungserklärung des Sohnes der Erblasserin nicht erforderlich ist, wurde der Überlassungsvertrag vom 2.6.2016 mit der Beschwerde formgerecht (§ 29 Abs. 1 GBO) vorgelegt. Dies ist als neue Tatsache auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, § 74 GBO.
5. Die Sache war zur Entscheidung durch das Grundbuchamt zurückzugeben, § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Beschwerdegegenstand waren nämlich nur die zurückgewiesenen Anträge auf Eintragung der Auflassung und Löschung der Grundpfandrechte, nicht auch die Eintragung des Nießbrauchs. Da ein einheitlicher Vollzug „gewünscht“ wurde, somit der Hauptantrag einen verbundenen Antrag nach § 16 Abs. 2 GBO darstellt und nur hilfsweise der Vollzug einzelner Eintragungen beantragt ist (Demharter § 16 Rn. 4), ist vorrangig über die Frage der Eintragung im Verbund zu entscheiden. Weil eine Entscheidung des Grundbuchamts zur beantragten Eintragung des Nießbrauchs noch nicht ergangen ist, liegt ein Fall des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor, so dass das Verfahren dem Grundbuchamt mit der Anweisung zurückzugeben war, unter Beachtung der Rechtsansicht des Beschwerdegerichts neu zu entscheiden (vgl. Meikel/Schmidt-Räntsch § 77 Rn.11 und 12).
III.
Eine Kostenentscheidung sowie eine Geschäftswertfestsetzung sind nicht veranlasst, da die Beteiligten mit ihrem Rechtsmittel obsiegen.