KG Berlin – Az.: 1 W 430/10 – Beschluss vom 06.01.2011
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, dem Antrag der eingetragenen Eigentümerin vom 24. Juni 2010 auf Löschung des Rechts in Abt. II lfd. Nr. 1 zu entsprechen.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1. ist eingetragene Eigentümerin des im Beschlusseingang bezeichneten Wohnungseigentums. Mit Schrift des Notars L. vom 24. Juni 2010 beantragte sie unter Bezugnahme auf die notarielle Urkunde vom 19. September 2008 (UR-NR. 1…/08 des Notars Dr. W. D.) die Löschung der in Abteilung II lfd. Nr. 1 zugunsten des Beteiligten zu 2. eingetragenen Eigentumsübertragungsvormerkung. Sie legt die Ausfertigung eines Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 10. Mai 2010 vor, in dem gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird, dass in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin – 84 O 160/09 – zwischen den Gesellschaftern der Beteiligten zu 1. als Klägern und dem Beteiligten zu 2. als Beklagten ein Vergleich folgenden Inhalts zustande gekommen ist:
„1. Der Beklagte bewilligt die Löschung der zu seinen Gunsten in den Grundbüchern des Amtsgerichts Lichtenberg, Grundbuch von Neukölln, Blatt 1…, 1…, 1… und 1… in den Abteilungen II Nr. 1 eingetragenen Eigentumsvormerkungen.
…„
Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beschluss vom 10. Mai 2010 entspreche nicht den gesetzlichen Bestimmungen des § 127a BGB und damit nicht § 29 GBO. Abgesehen davon seien die beiden Seiten der eingereichten Ausfertigung nicht durch Schnur und Siegel verbunden.
Dagegen richtet sich die durch den Notar eingelegte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 71 ff GBO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der beantragten Löschung des Rechts in Abteilung II lfd. Nr. 1 steht weder das von dem Grundbuchamt angeführte noch ein sonstiges Hindernis entgegen.
Die Beteiligte zu 1. ist als eingetragene Eigentümerin antragsberechtigt (§ 13 GBO).
Die gemäß § 19 GBO erforderliche Bewilligung des Beteiligten zu 2. als dem von der beantragten Löschung Betroffenen liegt vor und ist in der Form des § 29 GBO nachgewiesen worden.
1. Der Beschluss eines Gerichts gemäß § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO ist eine öffentliche Urkunde über die festgestellten Tatsachen, ohne dass hierfür auf § 127a BGB zurückgegriffen werden müsste (Deimann, RpflStud 2003, 38, 39; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 29 Rdn. 29 und § 20 Rdn. 16, für eine im Vergleich erklärte Auflassung auch Dümig, ZfIR 2007, 191). Öffentliche Urkunden sind solche, die eine öffentliche Behörde oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person unter Einhaltung der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausstellt. Die in § 415 ZPO enthaltene Begriffsbestimmung ist auch für den Grundbuchverkehr maßgebend (BGH, NJW 1957, 1673; KGJ 40, 115). Gemäß § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO hat das Gericht als zuständige Behörde in der Form des Beschlusses das Zustandekommen und den Inhalt des nach § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO geschlossenen Vergleichs festzustellen. Sind Inhalt des Vergleichs grundbuchrechtliche Erklärungen, so wird durch den Feststellungsbeschluss auch die Abgabe der Erklärungen festgestellt. Diese „Feststellung“ hat, wie schon die Verwendung desselben Begriffes wie in § 160 Abs. 3 ZPO verdeutlicht, keine geringere Bedeutung als die Feststellung in einem gerichtlichen Protokoll über eine Verhandlung oder eine Beweisaufnahme, nämlich, dass das Gericht als öffentliche Behörde schriftlich die Wahrnehmung von Tatsachen bekundet. Der Gesetzgeber sah die mit § 278 Abs. 6 ZPO geschaffene Form der Beschlussfeststellung als erleichterte Protokollierungsmöglichkeit an (BT-Drucks. 15/4382 S.16). Der Beschluss des Gerichts hat damit bezeugenden Inhalt bezüglich der abgegebenen, den Inhalt des Vergleichs darstellenden Erklärungen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, nach dem Beurkundungsgesetz (§§ 1, 56 Abs. 4) seien Behörden – und damit auch das Gericht – zur Errichtung von bezeugenden Urkunden nur ausnahmsweise in Fällen ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung zuständig. Zum einen wird eine solche Zuständigkeit in § 278 Abs. 6 ZPO gerade ausgedrückt. Zum anderen hat das BeurkG zwar die allgemeine Möglichkeit der öffentlichen Beurkundung von Rechtsgeschäften bei den Amtsgerichten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 167 Abs. 1 FGG a.F.) beseitigt; an der Zuständigkeit des Gerichts für die Beurkundung von Vergleichen hat es hingegen nie etwas geändert. Es hat insbesondere nicht geregelt, dass die gerichtliche Beurkundung eines Vergleichs nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sei. In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. V/3282 S.26, 27) ist vielmehr ausgeführt, dass der Notar bestimmte Zeugnisurkunden nicht errichten könne, weil der Beurkundungsvorgang in ein Verfahren eingebettet sei, bei dem Notare nicht mitwirken. In solchen Fällen könnten die Zeugnisurkunden nur von dem in dem jeweiligen Verfahrensgesetz vorgesehenen Urkundsorgan errichtet werden. Dies gelte zum Beispiel für die Protokollierung der Verhandlung im Zivilprozess einschließlich der Protokollierung eines Vergleichs durch den vorsitzenden Richter und den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Auf die Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks. V/3282 S. 51) ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren zwar § 127a BGB eingeführt worden. Mit diesem sollte allerdings nicht klargestellt werden, dass nach Beseitigung der allgemeinen Möglichkeit der öffentlichen Beurkundung im Verfahren nach § 167 Abs. 1 FGG a.F. weiterhin die öffentliche Beurkundung durch die Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs im Prozess erfolgen kann (a.A. Hertel in Meikel, GBO, 10. Aufl., § 29 Rdn. 265). Erst recht begründet er damit nicht die formellen Anforderungen, die das Gericht bei der Beurkundung eines Vergleichs einzuhalten habe, um diesem die Wirkung einer öffentlichen Urkunde verleihen zu können. Bereits nach seinem Wortlaut regelt § 127a BGB nur, unter welchen Voraussetzungen der gerichtliche Vergleich die Form der notariellen Beurkundung ersetzt, nicht aber, in welchen Fällen die Form der notariellen Beurkundung oder deren Ersetzung erforderlich ist. Eine andere Zielrichtung bei der Schaffung von § 127a BGB ergibt sich auch nicht der Stellungnahme des Bundesrates (a.a.O.), auf der sie beruht. Der Bundesrat wollte nur sicherstellen, dass die bereits zuvor von der Rechtsprechung entwickelte Regel beibehalten werde, dass der gerichtliche Vergleich jede andere – für das protokollierte Rechtsgeschäft gegebenenfalls erforderliche – Form ersetzt. Ausdrücklich Bezug genommen wird in der Stellungnahme auf die Entscheidungen RGZ 165, 161, 162 und BGHZ 14, 381, 391. Diese Entscheidungen befassen sich mit der Frage, ob der in einem Erkenntnisverfahren in der vorgeschriebenen Form abgeschlossene Vergleich zu überwinden vermag, dass die in ihm jeweils abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zu ihrer materiellrechtlichen Wirksamkeit gemäß § 313 BGB a.F. bzw. gemäß § 2276 BGB der notariellen Beurkundung bedurft hätten.
Im vorliegenden Fall kommt es auf die Frage, ob der Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO in entsprechender Anwendung des § 127a BGB auch die notarielle Beurkundung ersetzt (bejahend dazu BAG, NJW 2007, 1831, zweifelnd weiterhin Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 278 Rdn. 31), nicht an, weil weder § 29 GBO gerade eine notarielle Urkunde erfordert noch das materielle Recht an die Wirksamkeit der Löschungsbewilligung für eine Eigentumsverschaffungsvormerkung besondere Formanforderungen stellt (vgl. zu dem Formerfordernis des § 925 Abs. 1 BGB für die Auflassung OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 1609, dagegen Dümig a.a.O.; Demharter, FGPrax 2008, 1, 2).
2. Der vorgelegten öffentlichen Urkunde mangelt es auch im Übrigen nicht an formalen Erfordernissen. Eine vollstreckbare Ausfertigung ist nicht erforderlich, weil es sich bei der Verwendung einer in einem Vergleich abgegebenen Bewilligung nicht um einen Akt der Zwangsvollstreckung handelt (OLG Frankfurt, Rpfleger 1980, 291). Auch die Verbindung mit Schnur und Siegel ist nicht zu fordern. § 44 BeurkG findet keine Anwendung, weil der gerichtliche Vergleich nicht dem Beurkundungsgesetz unterfällt (Keidel in Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 57 Rdn. 4; Knauer/ Wolf, NJW 2004, 2857, 2859). Die zwingenden Formvorschriften für Beschlüsse ergeben sich aus § 329 ZPO, für Ausfertigungen aus § 317 ZPO (Schreiber in MünchKomm ZPO, 3. Aufl., § 415 Rdn. 21). Diese sind eingehalten. Dass sich der Ausfertigungsvermerk auf beide Seiten des Beschlusses bezieht, ergibt sich unzweideutig daraus, dass er sich am Ende der zweiten Seite befindet und beide Seiten mittels Heftklammer derart verbunden sind, dass die körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (für den Beglaubigungsvermerk BGH, NJW 2004, 506; 1974, 1383).
3. Unschädlich ist auch, dass der Beteiligte zu 2. die Bewilligung in dem nicht mit der Beteiligten zu 1., sondern mit deren Gesellschaftern geführten Rechtsstreit abgegeben hat. Daran, dass der Beteiligte zu 2. berechtigt ist, die Bewilligung im Grundbuchverfahren zu verwenden, bestehen keine Zweifel. Das Einverständnis des Bewilligenden wird dadurch verkörpert, dass der Begünstigte im Besitz einer Ausfertigung der Bewilligungserklärung ist und diese dem Grundbuchamt vorlegen kann (Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 171).